Geraubte Herzen
sie warm halten, so warm, wie er sie gehalten hatte, als er in ihr gewesen war …
Sie lehnte sich an den Waschtisch, machte die Augen zu und dachte an das Vergnügen, das er ihr beschert hatte. Sie errötete bei der Vorstellung, welche Forderungen sie gestellt hatte. Gütiger Himmel! Sie hatte ihn gebissen und sich in ihn verkrallt!
Sie liebte ihn.
Sie war vermutlich eine Närrin, aber im Moment war ihr das egal. All die Zuneigung, mit der sie ihre Kunden, Madam Nainci und Mrs. Monahan überschüttet hatte, war nichts im Vergleich zu dem großartigen, hinreißenden, überwältigenden Gefühl, das jetzt ihre Sinne gefangen hielt. Alles nur wegen Griswald. Er hatte ein Wesen in ihr freigesetzt, von dessen Existenz sie nichts gewusst hatte; ein Wesen, das Leidenschaft für sich beanspruchte, als hätte es ein Recht darauf. Sie wollte eigentlich gar nicht gehen. Sie wollte in das breite Bett zurückkrabbeln, ihn zu sich locken, ihn schmecken, ihn streicheln, ihn in Leib und Seele dringen lassen.
Sie richtete sich auf. Sie konnte das nicht. Die Liebe musste warten. Sie musste zur Arbeit. Sie hatte Unterricht.
Es war ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass er nicht entsprechend geantwortet hatte. Er hatte ihr nicht gesagt, dass er sie liebte.
Er liebte sie nicht. Noch nicht. Vielleicht niemals. Der Mann mit dem kühlen Blick hatte alles zurückgehalten, bis auf die Leidenschaft.
Es war wirklich besser so. Sie liebte ihn vielleicht, aber sie hatte gar nicht die Zeit, sich mit ihm und dieser Beziehung zu befassen. Ihre Mutter hatte immer gesagt, dass wahre Liebe Arbeit und Aufmerksamkeit erforderte. Also hätte Hope ihre Freude, so lange es eben ging, und würde nicht nach dem Morgen fragen.
Als Hope in ihren neuen Kleidern aus dem Badezimmer kam, atmete Zack insgeheim erleichtert auf.
Sie hatte angezogen, was er für sie gekauft hatte, und sie grinste sogar. »Gut?« Sie drehte sich im Kreis herum.
Er war ein exzellenter Stratege. Er hatte erneuert, aber nur ein klein wenig aufgebessert. Die Jeans waren neu, hellblau und etwas ausgewaschen, nicht zu teuer, nicht zu billig. Der Pullover war aus dunkelblauer, dicker Wolle und hatte einen Rollkragen. Er hatte sie gezwungen, die Sachen als das kleinere von zwei Übeln anzunehmen, und er wusste genau, dass sie insgeheim hocherfreut war und genau wusste, dass die Geschenke von Herzen kamen - einem enttäuschten Herzen, aber immerhin einem Herzen.
»Du siehst wunderbar aus.« Sie hatte ihm nicht noch einmal gesagt, dass sie ihn liebte, und das bereitete ihm Sorgen. Andere Frauen sagten das bei jeder Gelegenheit. Die anderen Frauen logen. Aber Hope hatte nicht gelogen, und er wollte, dass sie sich nochmals erklärte. Er musste diese Worte wieder hören.
»Danke. Und vielen Dank für die Kleider. Du bist so gut
zu mir. Du hast das hier getan«, sie deutete auf sich, »und du hast dich letzte Nacht um mich gekümmert. Einfach nur danke.«
An seinen Nerven zerrte die Wut. Die Wut darüber, dass solche Kleinigkeiten sie dankbar machten. Die Wut darüber, dass das Leben sie so schlecht behandelt hatte und ein paar billige, einfache Anziehsachen sie strahlen ließen. Dies war die Frau, die seine Selbstbeherrschung untergraben hatte, bis sie zu einem Häuflein Nichts geschrumpft war; dies war die Frau, die sich an seiner Zügellosigkeit und seiner Gier ergötzt hatte. Sie hatte alles gefordert, und er hatte ihr rückhaltlos alles gegeben. Bei dem Gedanken an letzte Nacht wollte er Hope ausziehen und wieder nehmen. Sie nehmen, bis sie gar nicht mehr auf die Idee kam, sein Haus zu verlassen. Dafür und für die aufrichtige Leidenschaft, mit der sie ihn überschüttet hatte, wollte er ihr alles geben.
Er wollte sie in Designerkleider hüllen.
Aber er musste sich mit Pullover und Jeans begnügen.
Das Blau des Pullovers gab ihren Augen die Farbe seines teuersten Lapislazuli-Eis von Tiffany. Ihre Augen … zum ersten Mal überlagerte sie kein Schatten.
Er hatte sie letzte Nacht glücklich gemacht. Im Bett und, was wichtiger war, mit seiner Reaktion auf das, was sie ihm über ihre Familie enthüllt hatte. Im grellen Tageslicht erschienen ihm die Vorfälle, die sich in Hobart, Texas zugetragen hatten, zu dramatisch, um wahr zu sein. Aber sie war letzte Nacht so aufgewühlt gewesen, dass er sich deswegen nichts gedacht hatte. Er hatte sie nur noch trösten wollen.
Jetzt stopfte er die Hände in die Hosentaschen, setzte ein schiefes Lächeln auf und sagte: »Du bist die
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