Geraubte Herzen
was?«
»Das hier.« Er drückte ihr einen einzigen, brandmarkenden Kuss auf die Lippen.
Einen dunklen tiefen Kuss, als wolle er ihr die Sinne versengen, bevor sie ging. Einen Kuss, der den Anspruch bestätigte, den er mit seinem Körper gestern Nacht auf sie erhoben hatte. Sein Mund öffnete sich über ihrem, und er schmeckte wie die Lust selbst. Er umarmte sie, und sie ließ sich in das Wunder sinken, seine Geliebte zu sein und sicher zu wissen, dass er sie wollte und brauchte, wie er keine sonst wollte und brauchte.
Seiner Selbstsicherheit zum Trotz war er ein einsamer Mann. Wenn die Zeit reif war, würde sie ihn lehren, in jeder Hinsicht mit ihr zu sein: ihr seine Gedanken zu offenbaren, seine Ängste, seine Gefühle und darauf zu vertrauen, dass sie ihn nie betrügen würde.
Jetzt umarmte sie ihn fest und antwortete der Zunge, die ihren Mund erprobte und einen Wirbel entfachte, der sie beide in Lust ertrinken ließ.
Als er sich schließlich von ihr löste, sagte er: »Du gehörst mir. Vergiss das nicht. Du gehörst auf ewig mir.«
»Ewig.« Sie berührte seine feuchten Lippen mit den Fingerspitzen. Er schien nicht zu bemerken, dass seine Worte eine Provokation waren, aber er schien verblüfft, als sie ihn ihrerseits provozierte. »Und du gehörst auf ewig mir.«
Er schaute sie mit schweren Lidern an, hielt sie fest, als wolle er sie nie mehr gehen lassen - und sagte kein Wort.
Sie glaubte doch tatsächlich, dass ihm dieses eine Mal keine Antwort einfiel.
Ihre Lider flatterten nervös, sie rang um ihr Gleichgewicht und ihre Eigeninitiative. »Gott, bist du gut im Küssen.«
Er lockerte langsam seinen Griff.
Sie rutschte über den Sitz, kletterte aus dem Wagen auf die ruhige Straße hinaus und wollte fort von ihm. Für ein
paar Minuten nur, gerade so lang, bis sie begriff, was letzte Nacht geschehen war.
Er sah ihr nach, als verstünde er ihre Bestürzung - und würde sie ihr bald austreiben.
Als er davonfuhr, stieg sie die Treppe zu Madam Naincis Büro hinunter. Der graue Himmel Bostons erschien ihr heller, die eisige Luft wärmer, und wenn sie genau hinhörte, konnte sie schon das erste Vogelgezwitscher hören.
Ja. Sie liebte ihn. Mehr noch, sie mochte ihn. Wichtigtuerisch, prätentiös, rechthaberisch und arrogant wie er war.
Madam Naincis Tür schwang direkt vor ihr auf. Hope hörte Madam Nainci schreien: »Lauf, Hope, lauf! Sie sind gekommen, dich zu holen!«
»Was?« Hope starrte den uniformierten Polizisten an, der die Tür hielt.
»Miss Hope Prescott?«, fragte er.
Närrin, die sie war, kamen ihr Bruder und Schwestern in den Sinn. Heute war der Tag der Wunder. Hatte irgendwer sie irgendwie gefunden? Sie hastete begierig über die Schwelle. »Ja?«
»Ich bin Officer Aguilar.« Dann zeigte er auf die Polizistin, die neben Mr. Wealaworths offenem Schreibtisch stand. »Das ist Officer O’Donnell. Miss Prescott, Sie werden mit mir aufs Revier kommen müssen. Ich habe einen Haftbefehl für Sie.«
21
»Einen Haftbefehl?« Überzeugt, dass es sich um ein Missverständnis handelte, sah Hope von einem Officer zum anderen. Aber als das letzte Mal Polizisten vor ihrer Tür gestanden hatten, hatte sie das auch gedacht - in jener schrecklichen Nacht in Texas, als die Polizei ihr die Nachricht vom Tod ihrer Eltern überbracht hatte.
Madam Nainci stand mit dem Headset auf dem Kopf am Schaltbrett, sprach ins Mikrofon und gestikulierte wild. »Ja, Sie haben richtig gehört. Sie verhaften gerade Hope. Sie sind Rechtsanwalt, Mr. Blodgett. Sie müssen sie frei bekommen. Das ist eine Ungeheuerlichkeit!«
»Und warum verhaften Sie mich?«, fragte Hope Officer O’Donnell, die etwa im gleichen Alter war wie sie.
»Wegen des Verdachts auf Unterschlagung, gemeinschaftlich begangen mit Ihrem Partner Mr. Wealaworth.«
Hope versuchte, zu Atem zu kommen. »Meinem Partner?«, flüsterte sie.
»Sie sind doch die Hope Prescott, die im Briefkopf der Firma erwähnt wird?«, fragte Officer Aguilar.
Sie nickte. An Mr. Wealaworths Schreibtisch standen die Schubladen offen, sämtliche Akten waren in Schachteln gepackt, und der Computer war fort.
»Sie haben für Postsendungen unterschrieben? Und eine Abschlussbilanz gegengezeichnet?«, betete Officer O’Donnell herunter.
»Aber ich war kein wirklicher Partner.«
Die Polizeibeamten hätten nicht desinteressierter wirken können oder müder.
»Ich lese Ihnen jetzt Ihre Rechte vor.« Officer Aguilar unterdrückte ein Gähnen.
»Ich habe keine Transaktionen oder
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