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Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun (German Edition)

Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun (German Edition)

Titel: Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Sandel
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jedoch, gleich zu Beginn darauf hinzuweisen, dass uns dieser historische Gegensatz in die Irre führen kann.
    Denn wenn wir unseren Blick auf jene Argumente richten, die in den aktuellen politischen Diskussionen eine Rolle spielen – nicht unter Philosophen, sondern unter gewöhnlichen Leuten –, sehen wir ein komplizierteres Bild. Zwar herrschen die Argumente vor, in denen es um unseren Wohlstand oder die Freiheit des Einzelnen geht, aber hinter diesen Argumenten (und manchmal im Widerstreit mit ihnen) können wir oft die Werturteile und Überzeugungen der Diskutanten ausmachen. Implizit geht es auch immer um die Frage, welche Tugenden belohnt und welche Lebensweise von einer guten Gesellschaft gefördert werden sollten.
    Wie wir es auch drehen und wenden: Den auf Werturteilen beruhenden Wesenszug der Gerechtigkeit können wir nicht ganz abschütteln. Die Überzeugung, dass Gerechtigkeit sicher ohne Freiheit, aber eben auch ohne Tugend nicht zu haben sei, reicht tief. Wenn wir über Gerechtigkeit nachdenken, scheinen wir dadurch unausweichlich gezwungen zu sein, über die beste Lebensführung nachzudenken.

Drei mögliche Annäherungen
an die Gerechtigkeit
    Fragt man, ob eine Gesellschaft gerecht ist, so läuft dies darauf hinaus, wie sie all das verteilt, was wir schätzen – Einkommen und Wohlstand, Pflichten und Rechte, Befugnisse und Chancen, Ämter und Ehren. Eine gerechte Gesellschaft verteilt diese Güter auf angemessene Weise; sie gibt jeder oder jedem, was ihr oder ihm zusteht. Die Schwierigkeiten beginnen, wenn wir fragen, was denn nun wem zusteht – und warum.
    Wir haben schon damit begonnen, uns mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Als wir darüber nachgedacht haben, was an Preiswucher, der Vergabe des Purple Heart oder der Bankenrettung richtig oder falsch sein könnte, haben wir drei Ideale kennengelernt, die jeweils einen eigenen Zugang zum Phänomen der Gerechtigkeit bieten: das allgemeine Wohl, die Freiheit und die Tugend.
    Manche unserer Debatten reflektieren die Uneinigkeit darüber, was es bedeutet, das allgemeine Wohl zu mehren, die Freiheit zu achten oder Tugenden zu pflegen. In anderen wiederum besteht Uneinigkeit darüber, was zu tun ist, wenn diese Ideale miteinander in Konflikt geraten. Die politische Philosophie kann diese Unstimmigkeiten nicht ein für alle Mal auflösen. Doch sie kann unseren Debatten Form geben und die Alternativen verständlich machen, vor denen wir als demokratische Bürger stehen.
    In diesem Buch erkunden wir die Stärken und Schwächen aller drei Ansatzpunkte. Beginnen wollen wir mit der Vorstellung von der Mehrung des allgemeinen Wohls oder, damit verbunden, des Wohlstands. Für Marktgesellschaften wie die unsere bietet sie einen natürlichen Ausgangspunkt. Ein großer Teil der zeitgenössischen politischen Debatten dreht sich um die Fragen, wie man den Wohlstand mehren, den Lebensstandard verbessern oder das Wirtschaftswachstum beschleunigen könne.
    Warum kümmern wir uns um dergleichen? Die offensichtlichste Antwort lautet, dass wir glauben, unser materieller Wohlstand würde unser Leben entscheidend verbessern – ob auf der individuellen oder der gesellschaftlichen Ebene. Anders gesagt, Wohlstand spielt eine wichtige Rolle, weil er zum Gemeinwohl beiträgt.
    Um diese Vorstellung eingehender zu untersuchen, wenden wir uns dem Utilitarismus zu – er ist die einflussreichste Erklärung, wie und warum wir das Gemeinwohl mehren oder (in den Worten der Utilitaristen) das größte Glück der größten Zahl von Menschen anstreben sollten.
    Anschließend greifen wir ein Spektrum von Theorien auf, die Gerechtigkeit mit Freiheit verknüpfen. Die meisten dieser Theorien betonen die Rechte des Einzelnen, auch wenn sie untereinander uneins sind, welche Rechte am wichtigsten sind. In der heutigen Politik ist die Meinung, Gerechtigkeit bedeute die Achtung der Freiheit und der Persönlichkeitsrechte, zumindest ebenso verbreitet wie die utilitaristische Idee von der Mehrung des Gemeinwohls. So legen etwa die Zusatzartikel der Verfassung der USA bestimmte Freiheiten fest – einschließlich des Rechts der freien Rede und der Religionsfreiheit –, die selbst von Mehrheiten nicht verletzt werden dürfen. Und in der ganzen Welt wird die Ansicht, Gerechtigkeit bedeute, bestimmte universelle Menschenrechte zu achten, zunehmend akzeptiert (jedenfalls theoretisch – wenn auch nicht immer in der Praxis).
    Die Ansätze, die von der Idee der Freiheit ausgehen, können dabei sehr

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