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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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geworfen hatten.
    Erbost über die Dreistigkeit der Bücherverbrennungen, hatte Hilde sofort damit begonnen, sogenanntes zersetzendes Schrifttum zu sammeln. Und halbe Sachen machte sie nicht. Hilde wollte ein Zeichen setzten, wollte die geächtete Literatur für spätere Generationen aufbewahren und die in Druckerschwärze geronnenen Gedanken konservieren, damit die Autoren in Zukunft wieder aus den Buchseiten zu den Lesern sprechen konnten. Fast kam es Oppenheimer so vor, als bildeten die vielen Bücher an den Wänden eine Art ideologische Palisade, die Hildes Gemüt gegen den Irrsinn abschirmte, der draußen tobte. Jedenfalls hatten in dieser kleinen Wohnung die Werke der verfemten Autoren ihre Zufluchtsstätte gefunden, und Hilde war ihre Schutzheilige.
    Oppenheimer wollte sich auf dem Besuchersessel niederlassen, als er etwas unter seinem Hinterteil spürte. Er schreckte hoch.
    »Oh, das hatte ich ja völlig vergessen«, sagte Hilde und griff nach der Zeitschrift, die auf der Sitzfläche lag. »Ich bin beim Umräumen.«
    »Wegen der Besucherin vorhin?«
    »Dir ist das hirnlose Wesen begegnet? Pah, diese olle Nazisse hab ich hier nicht reingelassen.«
    Hilde legte die Zeitschrift auf einen Stapel und ging in die Küche. Oppenheimer saß verloren in dem viel zu großen Sessel. Die Stille, die entstand, sobald Hilde aus dem Zimmer war, hatte für ihn etwas Bedrückendes. Also versuchte er halbherzig, Konversation zu machen.
    »Es ist nicht gerade nett, jemanden so zu nennen«, rief er ihr hinterher.
    »Also bitte, diese Trine war von der NS-Frauenschaft«, erwiderte Hilde. »Jetzt sag mal, was hältst du von einer Dame, die ihre Kinder Adolf, Joseph und Hermann nennt? Genau in dieser Reihenfolge.«
    »Alles gute deutsche Namen.«
    Hilde erschien im Türrahmen. Obwohl die Chancen verschwindend gering waren, dass sie ausgerechnet hier von den Nachbarn belauscht wurden, wisperte sie: »Ja, das sind Namen von guten deutschen Arschlöchern. Hirnlosigkeit ist wirklich noch das Netteste, was man ihr unterstellen kann.«
    Oppenheimer wusste, dass Hilde es sich manchmal gern einfach machte. »Ich kenne einen Juden mit dem Vornamen Adolf«, versuchte er, sie aus der Reserve zu locken. »Er war jahrelang beim Militär. Keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Vielleicht hat er ja seinen Vornamen ändern müssen.«
    »Er war nicht zufällig Gefreiter und wohnt gerade in der Reichskanzlei?«
    Oppenheimer winkte ab. Es war zwecklos. Er wusste nicht, wie sie es anstellte, aber Hilde schien ihm immer zwei Schachzüge voraus zu sein.
    »Was wollte sie von dir?«
    Hilde kam mit einem Glas und einer Zigarettenschachtel zurück. »Das war das Beste. Sie hat den Auftrag, die gesamte Nachbarschaft zu durchkämmen und alle Frauen, die nicht berufstätig sind, zum Arbeitseinsatz im Dienste der Volksgemeinschaft zu überreden. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte. Ehe ich meinen Rücken für die Nazis krumm mache, muss was anderes geschehen. Anstatt mit ihr zu diskutieren, habe ich die dumme Nuss lieber im Behandlungszimmer abgefüllt. So, wie sie zugelangt hat, wird sie sich morgen kaum noch an etwas erinnern.«
    Oppenheimer musterte die halbleere Flasche, die Hilde ebenfalls zurückgebracht hatte.
    »Schade um den Schnaps«, meinte Oppenheimer ohne großen Enthusiasmus.
    »Tja, ich glaube, du hast ihn nötiger.« Sie füllte das Glas und schob es in seine Richtung. Oppenheimer starrte die Flüssigkeit an, als wüsste er nicht, ob sie ihm freundlich gesinnt war.
    »Selbst destilliert. Findest nichts Besseres«, redete ihm Hilde zu. »Komm. Einen für Mutti …«
    Schließlich überwand Oppenheimer seinen Abscheu und kippte den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter. Als sich seine Augen unwillkürlich zu tränenden Schlitzen verengten, während sich Hildes Klarer seine Kehle hinabätzte, seufzte sie gespielt auf. »Dass du dich immer so anstellst. Na ja, wenigstens die Schnapsdrossel von vorhin wusste mein Zeug zu schätzen.«
    Sie reichte Oppenheimer zwei Zigaretten. »Ich gebe sie dir wohl besser gleich. Hier.«
    Dankbar nahm er sie entgegen. Sie pflegte ihm jeden Sonntag ein Paar zum Abschied mitzugeben. Oppenheimer kramte in der Jacke nach seiner Zigarettenspitze. Während er die Zigarette in den Halter steckte und entzündete, musterte Hilde ihn. »Vornehm geht die Welt zugrunde, was? So schlecht kann es dir eigentlich nicht gehen. Was ist überhaupt passiert?«
    Nachdem Oppenheimer von seiner nächtlichen Exkursion mit dem

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