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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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währe dieser Fall seit Stunden, Er litt infolge der unbequemen Stellung, die er in dem Kasten eingenommen hatte, wagte aber nicht, sich zu rühren; besonders der Ellbogen Katharinas marterte ihn. Sie sprach kein Wort; er fühlte bloß, wie sie so eng an ihn gelehnt dasaß, daß sie ihn erwärmte. Als die Schale endlich am Grunde des Schachtes, in einer Tiefe von fünfhundertvierundfünfzig Metern hielt, hörte er erstaunt, daß der Abstieg genau eine Minute gedauert habe. Doch das Geräusch der Anker, die sich einhakten und das Gefühl der Festigkeit unter seinen Füßen gaben ihm sogleich seine gute Laune wieder, und zum Spaß redete er Katharina mit du an.
    »Was hast du nur unter der Haut, daß du so warm bist?... Dein Ellbogen ist mir in den Bauch gedrungen.«
    Da brach auch sie in ein Gelächter aus. Wie konnte er so albern sein, sie noch immer für einen Jungen zu halten? Hatte er denn die Augen verstopft?
    »In den Augen hast du meinen Ellbogen, nicht im Bauche«, erwiderte sie mit einem neuerlichen Heiterkeitsausbruche, den der überraschte junge Mann sich nicht zu erklären wußte.
    Die Schale leerte sich; die Arbeiter durchschritten einen Saal. Dieser Saal war in den Felsen gehauen, mit gemauertem Gewölbe, durch große Lampen mit frei brennendem Lichte erhellt. Die Verlader rollten die vollen Hunde mit dröhnendem Geräusche auf dem mit gußeisernen Platten belegten Boden dahin. Von den nassen Mauern ging ein Kellergeruch aus, eine nach Salpeter riechende Kühle, zuweilen durchweht von einem warmen Odem, der aus dem benachbarten Stalle kam. Vier Stollen öffneten sich hier klaffend.
    »Nach dieser Richtung«, sagte Maheu zu Etienne. »Wir sind noch nicht am Ziel; wir haben gute zwei Kilometer zurückzulegen.«
    Die Arbeiter trennten sich, verloren sich gruppenweise in der Tiefe dieser schwarzen Höhlen. Ihrer fünfzehn wandten sich nach dem linksseitigen Stollen; Etienne ging als letzter, hinter Maheu, dem Katharina, Zacharias und Levaque vorausschritten. Es war ein schöner Abfuhrstollen, quer durch die Schicht angelegt und von so festem Gestein, daß er nur stellenweise untermauert werden mußte. Einzeln schritten sie dahin, ohne ein Wort zu sprechen, in dem schwachen Lichte ihrer Laternen. Der junge Mann strauchelte bei jedem Schritte; seine Füße blieben in den Schienen stecken. Seit einer Weile ängstigte ihn ein dumpfes Getöse; es war wie das Grollen eines fernen Gewitters, das an Heftigkeit zuzunehmen und aus dem Innern der Erde zu kommen schien. War es der Donner eines Einsturzes, der die ungeheure Masse, die sie vom Tageslichte trennte, in Trümmer legte? Jetzt durchzuckte eine Helle die Nacht, und er fühlte den Fels erzittern. Als er sich gleich seinen Kameraden knapp an die Wand gestellt hatte, sah er vor seinem Antlitz ein großes weißes Pferd vorüberziehen, das vor einen Zug von Hunden gespannt war. Auf dem ersten Hunde saß Bebert und hielt die Zügel, während Johannes, die Fäuste auf den Rand des letzten Hundes gestemmt, mit nackten Füßen hinterdrein lief.
    Sie setzten ihren Marsch fort. Weiterhin kam ein Kreuzweg; hier öffneten sich zwei neue Stollen, und der Trupp teilte sich abermals; die Arbeiter verteilten sich nach und nach auf alle Werkplätze der Grube. Der Stollen war hier mit einer Holzvertäfelung versehen; Eichensparren stützten die Decke und bildeten um den leicht einfallenden Felsen eine Verkleidung von Gebälk, hinter der man die Schieferplatten mit ihrem Glimmerglanze und die plumpe, glanzlose, rauhe Masse des Sandsteines sah. Züge voller oder leerer Hunde kamen unablässig vorüber und kreuzten sich mit einem Dröhnen, das sich im Dunkel verlor, wie fortgezogen durch undeutlich sichtbare Tiere in gespensterhaftem Trabe. Auf einem Nebengleise lag einer langen schwarzen Schlange gleich ein Kohlenzug, dessen Pferd schnaubte, dermaßen im Dunkel verborgen, daß das kaum sichtbare Hinterteil des Tieres einem in der Wölbung niedergefallenen Blocke glich. Lüftungstüren öffneten und schlossen sich langsam. In dem Maße, wie man weiter kam, wurde die Galerie immer enger, immer niedriger, mit ungleichem Dache, das die Arbeiter unaufhörlich zwang, sich zu bücken.
    Etienne fuhr mit dem Kopfe hart an die Decke. Ohne den Schutz der Lederkappe hätte er sich den Schädel eingerannt. Indes folgte er aufmerksam den geringsten Bewegungen Maheus, dessen dunkler Schattenriß sich bei dem Lichte der Laternen abhob. Keiner der Arbeiter stieß sich, sie mußten jeden Ast an der

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