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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Bewegung befindlichen Menschenkäfer hören, angefangen von dem Flug des Kabels, das die Fördermaschine auf und nieder steigen ließ, bis zu den Schlägen der Werkzeuge, die in der Tiefe der Häue die Kohle aus dem Gestein brachen.
    Als Etienne sich umwandte, fand er sich abermals an Katharina gedrängt. Doch diesmal verspürte er die beginnenden Rundungen ihres Busens und erklärte sich auch sogleich die Wärme, die ihn durchdrungen hatte.
    »Du bist ein Mädchen?« murmelte er betroffen.
    Worauf sie in heiterem Tone und, ohne zu erröten, erwiderte:
    »Gewiß ... Aber du hast lange gebraucht, um es zu merken.«
     

Viertes Kapitel
    Die vier Häuer lagen, einer über dem andern, auf dem sanft ansteigenden Flötz hingestreckt. Durch den Bretterverschlag getrennt, der die abgeschlagene Kohle festhielt, nahm jeder etwa vier Meter Raum in dem Minengange ein. Die Ader war an dieser Stelle so dünn, -- kaum fünfzig Zentimeter -- daß sie gleichsam zwischen Decke und Mauer eingezwängt lagen, mittels der Knie und Ellbogen sich fortbewegten und bei der geringsten Bewegung mit den Schultern an die Mauer stießen. Sie mußten, um die Kohle anzubrechen, auf der Seite liegen mit zurückgebogenem Halse und schräg die kurzstielige Spitzhacke schwingen.
    Zu unterst lag Zacharias, Levaque und Chaval über ihm und ganz oben Maheu. Jeder bearbeitete zuerst die Schicht mit der Spitzhacke, machte dann zwei Längseinschnitte und löste schließlich den Block los, indem er am oberen Teile ein Eisen einstemmte. Die Steinkohle war fett; der Block zerbrach und rollte in Stücken den Bauch und die Schenkel entlang. Wenn diese, durch den Verschlag festgehaltenen Stücke sich unter ihnen angesammelt hatten, verschwanden die Häuer, gleichsam eingemauert in den engen Spalt.
    Maheu litt am meisten. Oben stieg die Temperatur bis auf fünfunddreißig Grad; es gab keine Luftbewegung mehr; der Druck wurde auf die Dauer tödlich. Er hatte, um deutlich zu sehen, seine Lampe an einem Nagel neben seinem Kopfe befestigen müssen; diese neben seinem Schädel brennende Lampe brachte sein Blut vollends zum Sieden. Die schlimmste Marter aber kam von der Nässe. Wenige Zentimeter über seinem Antlitz floß das Wasser aus dem Felsen; dicke Tropfen fielen in unablässiger, rascher Folge und einer gewissen beharrlichen Gleichmäßigkeit immer auf die nämliche Stelle. Vergebens drehte er den Hals: die Tropfen klatschten ihm unablässig ins Gesicht. Nach einer Viertelstunde war er durchnäßt und überdies von Schweiß bedeckt, so daß ein dichter Dampf von ihm ausging wie von feuchter Wäsche. Heute fiel ihm ein Tropfen so hartnäckig ins Auge, daß er zu fluchen begann. Er wollte die Arbeit nicht aufgeben und führte kräftige Schläge, die ihn zwischen den zwei Felsen erschütterten wie eine Blattlaus zwischen zwei Blättern eines Buches in der Gefahr, vollständig zerdrückt zu werden.
    Kein Wort wurde gewechselt. Alle arbeiteten; man hörte nichts als die unregelmäßigen, dumpfen, gleichsam fernen Schläge. Jedes Geräusch klang rauh, ohne Widerhall in dieser toten Luft. Es schien, als sei die Finsternis von einer ganz unbekannten Schwärze, verdichtet durch den fliegenden Kohlenstaub, beschwert durch die Gase, die auf die Augen drückten. Die Dochte der Lampen unter ihrem Hütchen von metallischer Leinwand waren in dieser Luft nur rötliche Punkte. Man konnte nichts unterscheiden; gähnend öffnete sich der Schlag und stieg an wie ein breiter, platter, schräger Kamin, wo der durch zehn Winter angehäufte Ruß eine tiefe Finsternis verursachte. Gespensterhafte Formen bewegten sich darin; die Irrlichter ließen bald die Rundung einer Hüfte sehen, bald wieder einen knorrigen Arm oder ein dräuendes Haupt, geschwärzt, wie um ein Verbrechen zu begehen. Zuweilen leuchteten die losgelösten Kohlenblöcke an ihren Ecken und Kanten plötzlich in einem kristallischen Widerscheine auf. Dann versank wieder alles in Dunkelheit; die Spitzhacken arbeiteten mit dumpfen Schlägen; man hörte nichts als das Keuchen der Brüste und das Murren des Unbehagens und der Ermüdung in der drückenden Luft und dem strömenden Regen.
    Zacharias, dessen Arme nach einer gestrigen Schwelgerei noch ganz schlaff waren, ließ die Arbeit bald im Stiche, indem er die Notwendigkeit, die Wand zu verholzen, vorschützte. Dies gestattete ihm eine kleine Ruhepause, während welcher er leise vor sich hinpfiff und ins Leere starrte. Hinter den Häuern waren nahezu drei Meter der Ader hohl,

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