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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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neuem.
    In dem Schlage hatten die Häuer ihre Arbeit wiederaufgenommen. Oft kürzten sie ihr Frühstück ab, um sich nicht zu erkälten; und ihre »Ziegel«, die sie fern von der Sonne mit stummer Gier verzehrt hatten, lagen ihnen bleischwer im Magen. Auf der Seite liegend, hieben sie jetzt fester darauflos und hatten keinen anderen Gedanken als den, möglichst viele Hunde zu füllen. Alles verschwand in der wilden Gier nach dem Erwerb, der ihnen so schwer gemacht wurde. Schließlich fühlten sie das Wasser nicht mehr, das auf sie herabfloß und ihre Glieder anschwellen ließ, noch die durch die gezwungenen Stellungen verursachten Krämpfe, noch endlich die erstickende Luft der Finsternis, in der sie bleich wurden wie Kellerpflanzen. Doch in dem Maße, wie der Tag vorrückte, verdarb die Luft immer mehr und erhitzte sich durch den Rauch der Lampen, durch die schlechten Ausatmungen der Arbeiter, durch die Stickluft der bösen Gase; sie lag trübe vor den Augen wie Spinngewebe und konnte nur durch die nächtliche Lüftung weggefegt werden. Die Häuer in ihrem Maulwurfsloche, gleichsam von dem ungeheuren Gewichte der Erde erdrückt, hieben immer darauflos, bis sie schließlich keinen Atem mehr in der keuchenden Brust hatten.
     

Fünftes Kapitel
    Ohne auf seine Uhr zu schauen, die er in seinem Kittel gelassen, hielt Maheu in der Arbeit inne und sagte:
    »Es ist bald ein Uhr ... Zacharias, bist du fertig?«
    Der junge Mann war seit einer Weile mit der Verholzung beschäftigt. Er war bei dieser Arbeit auf dem Rücken liegen geblieben, schaute mit stieren Augen drein und dachte an die Kugelpartien, die er gestern gespielt. Aus seinem Brüten auffahrend, erwiderte er:
    »Ja, es wird schon genügen; morgen wollen wir weiter sehen.«
    Damit nahm er seinen Platz im Schlage wieder ein. Auch Levaque und Chaval hatten die Spitzhaue aus der Hand gelegt. Es trat eine Ruhepause ein. Alle trockneten sich das Gesicht mit ihren nackten Armen und blickten dabei zu dem Dachfelsen empor, dessen glimmerige Masse sich in Blättern spaltete. Sie sprachen nur von der Arbeit.
    »Wieder so ein Glückszug, daß wir auf ein abstürzendes Lager gestoßen sind«, brummte Chaval. »Auf dem Büro haben sie es nicht in Rechnung gezogen.«
    »Das sind Gauner«, schimpfte Levaque. »Sie denken nur daran, wie sie uns prellen können.«
    Zacharias lachte; ihm war die Arbeit und alles andere gleichgültig, aber es machte ihm Spaß, wenn er über die Unternehmung schimpfen hörte. Maheu erklärte mit seiner ruhigen Miene, daß alle zwanzig Meter die Beschaffenheit des Erdreiches sich ändere. Man müsse gerecht sein; das könne man nicht vorhersehen. Als die beiden anderen weiter die Vorgesetzten verlästerten, schaute er ängstlich um sich.
    »Still! Jetzt ist's genug!«
    »Du hast recht«, sagte Levaque und dämpfte die Stimme. »Es könnte uns übel ergehen.«
    Eine Angst vor Spionen plagte sie selbst in dieser Tiefe, als ob die Kohle der Aktionäre noch in der Grube Ohren habe.
    »Gleichviel,« setzte Chaval laut und trotzig hinzu, »wenn dieser Dansaert mit mir wieder in dem Tone wie neulich spricht, schleudere ich ihm einen Ziegel an den Magen ... Ich hindere ihn nicht, sich blonde Frauen mit feiner Haut zu gönnen.«
    Jetzt lachte Zacharias hell auf. Die Liebschaft des Oberaufsehers mit der Frau Pierron war der Gegenstand unaufhörlicher Späße in der Grube. Auch Katharina, die auf ihre Schaufel gestützt am Fuße des Schlages stand, hielt sich die Seiten vor Lachen und klärte mit einigen Worten Etienne auf, während Maheu, von einer Angst ergriffen, die er nicht zu verhehlen suchte, ärgerlich ausrief:
    »Wirst du schweigen? ... Warte, bis du allein bist, wenn du willst, daß es dir schlimm ergehe.«
    Noch sprach er, als das Geräusch von Schritten von der oberen Galerie her zu vernehmen war. Fast gleichzeitig erschien auf der Höhe des Schlages der Grubeningenieur, der kleine Negrel, wie die Arbeiter ihn unter sich nannten. In seiner Begleitung befand sich Dansaert, der Oberaufseher.
    »Ich sagte es ja«, brummte Maheu. »Es sind immer Leute da, die aus der Erde hervorkommen.«
    Paul Negrel, der Neffe des Herrn Hennebeau, war ein junger Mann von sechsundzwanzig Jahren, schmächtig und hübsch, mit gekräuselten Haaren und braunem Schnurrbart. Seine spitzige Nase, seine lebhaften Augen gaben ihm das Aussehen eines liebenswürdigen Spürhundes; er war mit einem skeptischen Verstande begabt, der sich im Verkehr mit den Arbeitern in eine spröde

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