Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
Oberkellner und Gast, ist überhaupt ein Thema, das mich immer wieder beschäftigt hat. Es gibt da vielfältige Abstufungen, doch bei fast allen Gästen ist sie immer mehr oder weniger zu spüren, was Nachteile, aber auch viele Vorteile hat. Ein Paradebeispiel für ihre verschiedenen Ausprägungen bietet die folgende Episode:
Ein sehr feiner Herr kam zusammen mit Peggy Parnass zum Mittagessen in den Grill, der Publizistin, Schauspielerin und Gerichtsreporterin. Der feine Herr mit wallendem dunklen Haar, akkurat sitzendem Anzug und strenger Miene. Das Personal, die Diener , scheint er nicht wahrzunehmen. Ganz im Gegensatz zu Peggy Parnass. Sie, locker, lächelt das Personal an, lacht jedem freundlich ins Gesicht. Leger gekleidet, auch wenn es dem comme il faut nicht entspricht. Sie könnte im Leinensack kommen, ihr Charme macht alles wett.
Ich berate, empfehle, mache Vorschläge. Frau Parnass fragt mit offenem Gesicht: »Was haben Sie denn heute zu Mittag gegessen?« – »Das steht nicht auf der Karte, gnädige Frau, wir bekommen doch Essen aus der Personalküche, in der Kantine.« Erstaunt fragt sie nach: »Nicht dasselbe Essen wie die Gäste?«
»Nein«, antworte ich, »Personal bekommt doch nicht das Gleiche wie die Gäste. Da gibt es doch Unterschiede.« Ungläubig versetzt sie: »Aber warum denn, wo ist denn der Unterschied? Das dürft ihr euch nicht gefallen lassen, wehrt euch dagegen!«
Das Gesicht des feinen Herrn beginnt sich unterdessen zu verziehen, nimmt einen säuerlichen und zunehmend grimmigen Ausdruck an. Frau Parnass abrupt zurechtweisend schnaubt er schließlich: »Du wirst doch nicht mit ihm « – er meinte mich – »ideologische Grundsätze klären.«
So viel zum Thema »Herr und Hund«.
Ulrich Tukur – Geh lieber in die Alster
Zwischen dem mittlerweile sehr berühmten Schauspieler Ulrich Tukur und mir hat sich im Laufe von zirka zwanzig Jahren eine regelrechte Freundschaft entwickelt – zumindest soweit eine Freundschaft mit Schauspielern überhaupt möglich ist. Die typische Gast-Kellner-Barriere existierte für Ulrich Tukur jedenfalls nie. Diese Freundschaft begann mit einem Liederabend, den Tukur mit seiner Band, den Rhythmus Boys, vor etlichen Jahren im Grill für mich abgehalten hat. Zu besonders günstigen Konditionen übrigens. Um es genau zu sagen: für Wiener Schnitzel und ein Glas Rotwein. Nun ja – viele Gläser Rotwein. Wofür das Hotel und ich sich auch ausgiebig bei ihm bedankt haben. Diese großzügige Geste vergesse ich ihm nie.
Ulrich beabsichtigte eines Tages, mit seiner damaligen Freundin Katharina John im Grill zu Abend zu essen. Dafür habe ich seinen Lieblingstisch, auf der Empore versteckt, reserviert. Und seine Lieblingsspeisen wurden vorbereitet. Es gab da nicht viele Möglichkeiten. Immer das Gleiche: Beefsteak Tatar. Das musste sein. Danach gab’s auch noch ein Hauptgericht. Gebratene Vierländer Ente für zwei. Eine bevorzugte Speise von Katharina. Eine Flasche guter Bordeaux war schon geöffnet. Es sollte nicht bei einer Flasche bleiben. Ulrich ist nicht nur ein Kenner guten Weines, er weiß auch zu genießen. Katharina sah an diesem Abend wunderschön aus. Pechschwarzes Haar, zum Pagenkopf frisiert. Elfenbeinfarbener Teint und knallig kirschrote Lippen. Wie eine Porzellanpuppe aus Meißen. Alle Zeichen signalisierten, dass es ein schöner, runder Abend werden würde.
Das Beefsteak Tatar wurde gebracht und ich begann es zuzubereiten. Das ist eine Zeremonie, die anderswo mittlerweile Seltenheitscharakter hat. Es gibt nur wenige Orte, an denen Beefsteak Tatar so zelebriert wird wie im Jahreszeiten-Grill. Schon die vielen Zutaten sind köstlich anzusehen: Neben dem geschabten Rinderfilet gehackte Zwiebeln, Kapern, Petersilie, Eigelb, Cognac, feinstes Olivenöl sowie Salz und Pfeffer. All diese Ingredienzien mischte und rührte ich nun zu einem innigen Verbund. Katharinas und Ullis Augen glänzten. Nach dieser opulenten Vorspeise mit vielem und gutem Rotwein kam die gebratene Ente. Knusprig, braun und brutzelig. Die Stimmung war bestens.
Während des Verzehrs des gebratenen Federviehs wurde auffällig weniger vertraulich gesprochen. Ganz im Gegenteil, die Stimmen wurden immer lauter und ärgerlicher. Die Gäste an den umliegenden Tischen wurden schon aufmerksam. Inzwischen erkannte man auch den Schauspieler. Fragende Blicke – was ist los? Ein Oberkellner muss immer eine passende Antwort bereithaben. »Wie Sie bemerkt haben, sind es Schauspieler. Sie haben
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