Gerris Freunde als Detektive
Großen. „Und die Uhr bekomme ich auch noch dazu?“ fragte er.
„Gewiß“, nickte der Uhrenhändler, „das ist unser Geschäft.“
„Ich verstehe aber immer noch nicht, wie das vor sich geht, wenn man seinen Schlaf verkauft“, wagte Gerri noch einzuwenden, aber der Uhrenhändler schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
„Da brauchst du gar nichts zu verstehen. Das überlaß nur mir. Du brauchst nur zu sagen: ich will.“
Nicht mehr schlafen müssen und die pfundige Uhr besitzen! Gerri überlegte keinen Augenblick länger.
„Ich will!“ sagte er atemlos.
Der Uhrenhändler warf die Uhr in die Luft und fing sie geschickt wieder auf. „Recht so, mein Söhnchen“, sagte er.
Dann holte er ein bauchiges Glasgefäß von seinem Karren, stellte sich ganz dicht vor Gerri und schaute ihm prüfend ins Gesicht. „Das werden wir gleich haben“, murmelte er, und dann strich er mit der rechten Hand über Gerris Augen.
Gerri wurde es mit einem Mal ganz seltsam zu Mute. Sein Kopf wurde schwer, und er fühlte sich schwindlig. Es war ihm, als würde etwas aus ihm herausgezogen. Einen Augenblick lang wußte er nicht mehr, wo er sich befand und was mit ihm vorging. Er schloß die Augen. Dann hörte er den Uhrenhändler sagen: „So, das wär’s!“
Als Gerri wieder zu sich kam, sah er, daß das bauchige Glasgefäß nicht mehr leer war. Etwas Blaues leuchtete darin.
„Mein Schlaf?“ fragte er verwirrt. „Ist das mein Schlaf?“ Aber der Uhrenhändler hatte es mit einem Mal sehr eilig. Er versteckte das Glas auf seinem Karren, reichte Gerri die Uhr und sagte: „Da, mein Söhnchen, ich gratuliere zu dem guten Geschäft. Und nun viel Spaß.“
Damit packte er seinen Wagen und schob ihn hastig davon. Gerri hörte in der Ferne noch sein meckerndes Lachen.
Gerri wird erwischt
Und dann stand Gerri mutterseelenallein auf der dunklen Straße. Er war noch ganz benommen von seinem Erlebnis, und wenn nicht die Uhr an seinem Handgelenk gewesen wäre, hätte er alles für einen nächtlichen Spuk gehalten. Aber die Uhr war da: Er sah sie im Mondlicht glänzen, er hörte sie ticken, und er fühlte das glatte Metall, wenn er darüberstrich.
Das war ja die reinste Zauberei! Er hatte eine Uhr, eine Sportuhr mit Datumsanzeiger, und zu schlafen brauchte er auch nicht mehr. Jetzt konnten sie ihm nichts mehr anhaben, die Lotte und der Martin. Schlafen gehen! Pah, lächerlich!
„Ich werde jetzt erst mal einen Streifzug unternehmen“, sagte sich Gerri. Er mußte schließlich wissen, was man nachts alles erleben konnte. Vielleicht könnte er einen Einbrecher schnappen oder einen Dachstuhlbrand entdecken, und dann würde er noch obendrein berühmt.
Sollten sie doch pennen, der Max, der Bernhard und der Hubert! Gerri ging jetzt auf Abenteuer.
Als er gerade davonspazieren wollte, fiel ihm ein, daß er ja im Schlafanzug war. Das ging natürlich nicht; er mußte sich etwas zum Anziehen holen. Also lief er zum Haus zurück, um wieder am Spalier hochzusteigen in sein Zimmer. — Aber schon kam der erste Fehlschlag, mit dem er nicht gerechnet hatte. Kaum war er nämlich einen Meter hoch geklettert, da fühlte er sich von hinten gepackt und heruntergezogen. Als er aufblickte, sah er Herrn Radeck vor sich, den Mann von der Wach- und Schließgesellschaft. Der Herr Radeck war in der ganzen Gegend bekannt, und er selbst kannte auch alle Leute, die in seinem Viertel wohnten. Er mußte die Großgarage und drei Geschäftshäuser regelmäßig überwachen. Bei seinem Rundgang kam er immer an Gerris Haus vorbei.
„Runter da!“ raunzte Herr Radeck. „Wie hätten wir’s denn!?“ Und er griff nach Gerris Hand.
„Ich, ich...“, stotterte Gerri.
„So! Ich, ich! Ist das alles, was du zu sagen hast? Beim Fassadenklettern bist du anscheinend nicht so schüchtern. Also: Wie heißt du? Wo wohnst du? Was hast du da oben zu suchen?“
„Ja, aber, Herr Radeck, ich bin doch Gerri Lohmann, ich wohne doch hier.“
„Der Gerri?“ Radeck ließ Gerris Hand los und betrachtete ihn vom Kopf bis zu den nackten Zehen. „Tatsächlich, der Gerri! — Willst du mir vielleicht erklären, was du nachts da herumzukraxeln hast? Bist du etwa mondsüchtig?“ Was war da zu erklären? Sollte er Herrn Radeck erzählen, daß er soeben seinen Schlaf verkauft hatte? Da würde ihn der Wachmann nicht nur für mondsüchtig, sondern für verrückt halten. Ein Glück, daß er nicht früher vorbeigekommen war, sonst wäre aus dem ganzen Handel womöglich nichts
Weitere Kostenlose Bücher