Gerris Freunde als Detektive
Uhr doch umgebunden.“
„Aber doch nicht zu Hause“, erklärte Gerri kleinlaut.
„Nicht zu Hause? Die dürfen also nicht wissen, daß du die Uhr hast?“
„Nein.“
Bernhard sah Gerri scharf an, und dann sagte er: „Los, klar und deutlich: Wo hast du die Uhr her?“
Gerri schluckte schwer. Er schaute beklommen Max und Hubert an, aber die machten beide finstere Gesichter, und da war es Gerri klar, daß alle glaubten, er hätte die Uhr gestohlen.
„Nein!“ schrie er verzweifelt. „Nein, bestimmt nicht. Ich habe sie nicht gestohlen. Glaubt mir doch! So was tu’ ich nicht, ich schwöre es euch. — Aber erklären kann ich es euch nicht, wirklich nicht. — Wenn ihr meine Freunde seid, dann fragt jetzt nicht weiter, bitte“. Angstvoll griff er nach den Schussern und hielt sie seinen Freunden hin. „Da — ich spiele auch wieder mit.“
Die Buben sahen sich unschlüssig an. Sie wußten nicht, was sie von Gerri halten sollten, aber eines war ihnen doch klar: irgendetwas Schwerwiegendes mußte Gerri zugestoßen sein. Vielleicht war es besser, ihn jetzt in Ruhe zu lassen.
„Meinetwegen“, sagte Bernhard. „Kann uns ja auch gleich sein.“
Gerri in Not
So ging es mit den Freunden, und auch sonst war alles ganz anders, als Gerri es sich vorgestellt hatte. Warum nur?
Sein Wunsch war doch in Erfüllung gegangen: Er wurde nicht mehr müde, er konnte die ganze Nacht lesen und basteln und — wenn er vorsichtig zu Werke ging — konnte er sogar ein bißchen in den dunklen Gassen herumspazieren, wenn Herr Radeck gerade seine Runde gemacht hatte. Das alles hatte er sich gewünscht — und jetzt? Jetzt stimmte einfach nichts mehr so richtig. Zu Hause nicht, in der Schule nicht, mit den Freunden nicht. Es war, als ob er gar nicht mehr dazugehörte; es machte ihm nichts mehr Spaß. Und darüber reden konnte er natürlich auch mit niemandem. Wenn es erst die andern wüßten, wäre alles noch viel schlimmer. Dann würden sie heimlich über ihn tuscheln, und er würde ihre Blicke spüren. — Und seine Mutter erst! Die würde sich so grämen, daß es nicht zum Aushalten wäre. Nein, reden konnte er mit niemandem. Es nützte ja auch nichts. Seinen Schlaf bekam er ja doch nicht wieder.
Aber dann kam ein schrecklicher Tag, an dem alles über ihm zusammenstürzte.
In der Schule fing es an. Da sagte der Klassenlehrer zu ihm: „Lohmann, du sollst um 10 Uhr zum Herrn Rektor kommen.“
Zum Rektor kommen! Um 10 Uhr zum Rektor kommen! Was sollte er denn da? Und wie der Lehrer das gesagt hatte! Richtig unheilvoll hatte es geklungen. Zum Herrn Rektor...
Als Gerri um 10 Uhr zögernd eintrat, saß der Rektor an seinem Schreibtisch, auf dem sich Bücher und blaue Schulhefte türmten. Er hatte zwar „Herein!“ gesagt, aber er blieb über ein Heft gebeugt, ganz vertieft, und machte mit einem Rotstift Zeichen und Notizen. Gerri stand und wartete und wagte kaum zu atmen. Der Rektor schien seine Anwesenheit gar nicht wahrzunehmen, und in Gerri regte sich die Hoffnung, daß der Rektor ihn vergessen haben könnte, und daß es ihm vielleicht gelänge, unbemerkt wieder hinauszuschlüpfen.
Aber da hob der Rektor seinen schweren Kopf mit dem grauen Haarkranz und sah Gerri aus hellen Augen fest an. „Da bist du ja, Lohmann! Komm ein bißchen näher, ich habe mit dir zu reden.“
„Ja, Herr Rektor“, sagte Gerri sehr leise und machte ein paar unsichere Schritte zum Schreibtisch.
Der Rektor lehnte sich in seinen Stuhl zurück und schaute Gerri prüfend an. „Du kannst dir vielleicht denken, warum ich dich rufen ließ. Gestern war Lehrerkonferenz. Deine Lehrer sind unzufrieden mit dir, Lohmann. Du hast in deinen Leistungen sehr nachgelassen, du bist zerfahren, unaufmerksam, machst deine Aufgaben nicht ordentlich. — Was ist eigentlich los mit dir?“
Gerri schluckte an einem Kloß in seinem Hals und brachte kein Wort heraus.
Da fuhr der Rektor fort: „Leider muß ich dir sagen, daß deine Noten nicht zum Übertritt auf das Gymnasium reichen.“
Das war es also: sie wollten ihn nicht versetzen, und er sollte nicht aufs Gymnasium kommen! Gerri spürte, daß ihm der Kopf ganz leer wurde. Das Zimmer begann sich zu drehen, es wurde weit wie ein Saal, und von den Wänden hallte die Stimme des Rektors „...nicht zum Übertritt auf das Gymnasium reichen... nicht zum Übertritt reichen... nicht reichen...“ Er klammerte sich an den Schreibtisch und suchte einen festen Punkt. Da blieben die Wände allmählich stehen, und die hellen
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