Gerris Freunde als Detektive
Mitleid mit dem kleinen Bruder. „Schau, Gerri, ich bin zwar nur ein paar Jahre älter, aber es wird bestimmt leichter, wenn du es dir von der Seele redest. — Sag halt, was du hast.“
Gerri saß unbeweglich; er antwortete nicht. Plötzlich zog er mit einer heftigen Bewegung die Armbanduhr aus der Tasche und schleuderte sie auf den Tisch. — „Da!“
„Eine Uhr?“ Martin war bestürzt. Wie kam Gerri zu der Uhr? Ein schrecklicher Gedanke schoß ihm durch den Kopf, aber Gerri winkte ab: „Ach, nicht, was du denkst. Ich habe sie nicht gestohlen.“
„Wo hast du sie her?“
„Wenn ich dir das erzähle, Martin! Das ist so unglaublich, daß du mich bestimmt für verrückt hältst.“
„Komm schon, erzähl!“
Da sagte Gerri langsam: „Ich habe meinen Schlaf verkauft.“
Martin war auf manches gefaßt, aber das war zuviel.
„Nein, Gerri“, sagte er, und seine Stimme schwankte vor Ärger. „Ich wollte offen und ernsthaft mit dir reden, weil ich glaubte, du brauchst mich. Aber wenn es dir nicht auch ernst ist, dann sind wir fertig miteinander.“
„Ich wußte ja, daß du mir nicht glaubst“, antwortete Gerri. Es klang so mutlos, daß Martin aufhorchte. War am Ende doch etwas Wahres an der Sache?
„Willst du mir das nicht ein bißchen näher erklären?“ fragte Martin.
„Was soll ich da erklären?“ antwortete Gerri. „Ich kann halt nicht mehr schlafen. Weil ich ihn eingetauscht habe gegen die Uhr. Mehr weiß ich selbst nicht.“ Martin starrte eine Weile auf Gerris Rechenheft. Er betrachtete die Zahlen, ohne sie richtig wahrzunehmen. Dann sagte er: „Gerri, du weißt, was du von mir verlangst. Ich soll dir etwas glauben, was du mir nicht beweisen kannst. Du behauptest, du hast deinen Schlaf verkauft?“
„Ja.“
„Aber wie und an wen?“
Da fing Gerri endlich an zu sprechen. Er erzählte von dem Abend, als er nicht mitdurfte zum Fernsehen, von dem Abend, an dem er von Wachmann Radeck nach Hause gebracht worden war. Stockend zuerst und dann immer hastiger erzählte er vom Uhrenhändler, von dem Geschäft, das er mit ihm gemacht hatte, und von dem blauleuchtenden Glas. Martin hörte schweigend zu. Er stellte keine Frage.
„Jetzt weiß du alles“, sagte Gerri zum Schluß und schaute Martin beklommen an.
Martin war eine geraume Weile still. Er hämmerte sich mit der Faust an die Stirn, als wollte er sicher sein, daß er auch wach wäre. — „Toll“, murmelte er dann und hatte eine ganz tiefe Stimme. Immer wenn er beeindruckt war, hatte er eine tiefe Stimme. „Einfach toll! — Wenn du nicht mein Bruder wärst, würde ich dir kein Wort von der Geschichte glauben.“
„Es ist aber alles wahr.“
„Ich hab’ das jetzt schon begriffen, Gerri. Und ich hab’ auch begriffen, daß du in eine verdammt gefährliche Sache geraten bist.“
„Gefährlich?“
„Ja, was denn sonst? Du merkst doch, wie es dir geht. Du bist ja ganz verändert.“
„Ich hatte mir alles anders vorgestellt. Wie kommt es nur, daß ich mich nicht mehr freuen kann?“
Martin dachte lange nach. „Vielleicht kommt es daher, daß man Wachen und Schlafen nicht auseinanderreißen kann. Wachen und Schlafen gehören ganz einfach zusammen, genauso wie...wie...“ Martin suchte nach dem rechten Vergleich, „...wie Tag und Nacht.“
Gerri bekam große Augen. Das war es, Martin hatte es begriffen. Wachen und Schlafen gehörten zusammen wie Tag und Nacht. Das eine konnte nicht sein ohne das andere, und wenn das eine fehlte, dann stimmte es nicht mehr. Seitdem er nicht mehr schlafen konnte, schien es ihm, als würde die Nacht nicht mehr dunkel und der Tag nie mehr richtig hell.
„Und jetzt muß etwas geschehen!“ sagte Martin. „Du mußt ‘raus aus dieser unheimlichen Geschichte. So schnell wie möglich.“
„Glaubst du wirklich, daß da was zu machen ist?“ fragte Gerri mit einem Schimmer von Hoffnung.
„Es muß, Gerri, es muß! So kann das doch nicht weitergehen.“
„Aber was willst du denn tun?“
Martin wiegte den Kopf. „So genau weiß ich das selbst noch nicht. Nur eins ist klar: Wir müssen den Uhrenhändler finden und herausbekommen, was er mit deinem Schlaf gemacht hat. Alleine werden wir das aber kaum schaffen. — Wissen deine Freunde von der Sache?“
„Nein.“
„Dann müssen wir sie einweihen.“
Gerri fuhr erschreckt auf. — „Meine Freunde? Du willst es Bernhard, Max und Hubert sagen?“
„Es wird nichts anderes übrigbleiben.“
„Denk doch mal nach, Martin, bitte! Vielleicht
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