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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Tanz.
    Dort treten sieben MÄUSCHEN
    ohn' Unterlaß und Päuschen
    der Katze auf den Schwaha,
    der Katze auf den Schwanz.

Ich über mich
    Ich weiss…
    Ich weiß ein Blümlein rosenrot
    besetzt mit grünen Blättchen,
    ich roll' es gern in eitel Samt
    und rauch's als Zigarettchen -
    Das
    gibt mir derartig den Rest,
    daß es sich nicht beschreiben läßt.
    Ich sprach…
    Ich sprach nachts: Es werde Licht!
    Aber heller wurd' es nicht.
    Ich sprach: Wasser werde Wein!
    Doch das Wasser ließ dies sein.
    Ich sprach: Lahmer, du kannst gehn!
    Doch er blieb auf Krücken stehn.
    Da ward auch dem Dümmsten klar,
    daß ich nicht der Heiland war.
    Was ich…
    Was ich noch zu sagen habe,
    steht auf einem andern Blatt.
    Öffnet es an meinem Grabe,
    wenn man mich beerdigt hat.
    Bitte, öffnet es nicht früher.
    Öffnet es erst, wenn ich sterbe.
    Denn bis dahin soll geheim sein,
    wem ich Helgoland vererbe.

Dialog zwischen dem Dichter
und Stralsund
    DICHTER:
    Hafenstadt im Abendlicht!
    STRALSUND
    (liegt still da und rührt sich nicht)
    DICHTER:
    Perle an der Ostsee Strand!
    STRALSUND
    (denkt): Halt doch den Rand!
    DICHTER:
    Niemals will ich von dir lassen!
    STRALSUND
    (brummelt): Nicht zu fassen!
    DICHTER:
    Ich erkläre frei und frank…
    STRALSUND
    (schreit): Mach mich nicht krank!
    DICHTER:
    Gott, ist diese Stadt nervös!
    STRALSUND
    (schweigt und schaut nur bös)
    DICHTER:
    (lacht beim Weggang schrill)
    STRALSUND
    (übergibt sich still)

Vergebliches Vorhaben
    Ich schrieb' so gern ein Berggedicht
    mit Pauken und Trompeten,
    von Gletschern, Klamm und Firnenlicht
    und der vom Wind verwehten
    Bergbäu'rin, die ich einmal traf,
    als sie die Jodler säugte,
    die Erwin, der Lawinengraf,
    nachts auf den Almen zeugte,
    dann, wenn die Gräfin wie gewohnt
    das Matterhorn bemalte,
    indes ein weit entfernter Mond
    sein fahles Licht verstrahlte -
    das alles schrieb' ich gerne hin,
    doch muß ich's leider lassen.
    In Worten gäb' das keinen Sinn;
    wie sagt man doch im Engadin?–:
    »'s ischt vérbal nicht zu fassen.«

Anno 24
    1924. Über Deutschland lastet der Reimzwang. Reimzwingherrn sorgen dafür, daß er unerbittlich eingehalten wird. Da treffen sich auf einer der belebten Straßen der Kölner Innenstadt Harry und Ulla…
    SIE:
    Sag mal, Schatz, wie kommt die Rose
    eigentlich an deine Hose?
    ER:
    Hör mal, Liebling, sei so nett,
    sag nicht Hose zum Jackett!
    SIE:
    Also gut, wie kommt der Anker
    eigentlich an deinen Janker?
    ER:
    Dieser Anker ist 'ne Rose!
    SIE:
    Und was sucht sie auf der Hose?
    ER:
    Diese Hose ist ein Janker!
    SIE:
    Und was soll dann dieser Anker?
    ER:
    Eine Rose ist kein Anker!
    SIE:
    Eine Hose ist kein Janker!
    ER:
    Gottseidank, das klärt die Lage -
    SIE:
    Bleibt nur eine letzte Frage -
    ER:
    Eine Frage – bitte ja?
    SIE:
    Du – was haben wir denn da?
    ER:
    Schatz, du siehst doch, eine Rose!
    SIE:
    Und wie kommt die an die -
    ER:
    Halt! Das mach' ich nicht länger mit!
    SIE:
    Ich auch nicht!
    Beide ziehen mit den Worten »Nieder mit dem Reimzwang« durch die belebten Straßen der Kölner Innenstadt. Begeistert schließen sich die Volksmassen ihnen an. Vereinzelte Rufe, wie »Der Reim muß bleim«, erstickt man im Keim. Die Reimzwingherrn flieh'n, und man läßt sie zieh'n. Der Siegeszug der Prosa beginnt, und wer das nicht glaubt, der spinnt.

Lehrmeisterin Natur
    Vom Efeu können wir viel lernen:
    Er ist sehr grün und läuft spitz aus.
    Er rankt rasch, und er ist vom Haus,
    an dem er wächst, schwer zu entfernen.
    Was uns der Efeu lehrt? Ich will es so umschreiben:
    Das Grünsein lehrt er uns. Das rasche Ranken.
    Den spitzen Auslauf und, um den Gedanken
    noch abzurunden: Auch das Haftenbleiben.

Bekenntnis
    Ich leide an Versagensangst,
    besonders, wenn ich dichte.
    Die Angst, die machte mir bereits
    manch schönen Reim zuschanden.

Fünf Vierzeiler
    Samt und Seide
    Sprach der Samt zum Seide:
    »Tu mir nichts zuleide!«
    Drauf hat Seide diesem Samt
    hastig eine reingeschrammt.
    Bausch und Bogen
    Der Bausch, der hat den Bogen
    an dessen Ding gezogen.
    Da lispelte der: »Bausch,
    hör schofort damig ausch!«
    Mann und Maus
    Der Mann, der gab dem Maus
    zwei Mark zuviel heraus.
    Drauf redet' Maus den Mann
    mit »Euer Gnaden« an.
    Herr und Knecht
    Der Herr rief: »Lieber Knecht,
    mir ist entsetzlich schlecht!«
    Da sprach der Knecht zum Herrn:
    »Das hört man aber gern!«
    Basis und Überbau
    Die Basis sprach zum Überbau:
    »Du bist ja heut schon wieder blau!«
    Da sprach der Überbau zur Basis:
    »Was is?«

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