Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
nicht gemeint! Und, um Erwins Wut zu dämpfen, flüsterte sie begütigend: »Man wird ja wohl noch mal fragen dürfen!« Doch damit war sie bei Erwin an den Falschen geraten, denn der schrie:
»Weib, rede nur mit Engelszungen!
Zur Strafe wird jetzt rausgedrungen!
Wo ist mein Stock? Wo ist mein Hut?«
»Ach Erwin!« »Else! Mach es gut!«
Und ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er. »Nie sollst du mich befragen…«
Gedicht über den Menschen
(mit Trompetenbegleitung)
Man hört so oft
»Der Mensch ist gut«
(Tuut)
Jedoch, wenn ich
die Menschen seh'
(Tätää)
dann scheint mir das,
was ich da sah
(Traraa)
das reine Gegenteil
von »gut«!
(Tätää… äh…Tuut!)
Die Entdeckung
Wir haben heut die Frau entdeckt
und zwar als Sexualobjekt,
das war in Wanne-Eickel.
Wir faßten sie sofort ans Knie,
das, wie wir meinten, danach schrie,
dann freilich wurd' es heikel.
Denn plötzlich sprach die Frau: »Ich bin
ein Mensch wie ihr, mit Herz und Sinn,
mit Seele und Gefühlen.
Bin nicht nur Knie, bin nicht nur Brust,
bin nicht nur da, der Männer Lust
zu lindern und zu kühlen!«
Mein Gott – sie hatte ja so recht!
Was war'n wir lüstern, war'n wir schlecht!
Wir gingen schwer betroffen.
Wir schlichen stumm die Straße lang,
bis wir in einem Bierausschank
uns hemmungslos besoffen.
Im Anschluß daran ging es schnell
ins nächstgelegene Bordell.
Und da war Polen offen…
Klage des Bettes
O, o, o, ich armes Bett!
O, was muß ich leiden
unter diesen beiden!
Dies Getümmel, dies Gebalze
hingen mir schon längst zum Halse
raus, hätt' ich nur einen,
doch ich habe leider keinen.
O, wenn ich nur einen hätt'!
O, o, o, ich armes Bett!
Gedichte aus Wörtersee
1981
Sonne und Mond sind mein einziger Verkehr.
Vielleicht noch das Feuer,
vielleicht noch das Meer.
Alfred Mombert
Die Große Menge wird mich nie begreifen,
die Pfeifen.
R. G.
Als Ausnahmen merk dir genau:
der Milchmann, doch die Eierfrau.
Volksmund
I
Vertraute Laute
Komm, erstes Wort
Komm, erstes Wort,
langersehntes,
Geschenk du der Götter, die
den Dichter bedenken mit
herrlichen alten Weinen
wie dem von Castiglioncelli
und mit
herrlichen ersten Worten
wie
»Komm, erstes Wort.«
Schwanengesang
Was wollen die Schwäne uns sagen?
Wir leben und schweben
wir kreisen und weisen
wir finden und binden
wir ketten und retten
wir halten und walten
wir schlichten und richten
wir sind überhaupt ganz tolle Vögel -
das wollen die Schwäne uns sagen.
Paris ojaja
Oja! Auch ich war in Parih
Oja! Ich sah den Luver
Oja! Ich hörte an der Sehn
die Wifdegohle-Rufer
Oja! Ich kenn' die Tüllerien
Oja! Das Schöhdepohme
Oja! Ich ging von Notterdam
a pjeh zum Plahs Wangdohme
Oja! Ich war in Sackerköhr
Oja! Auf dem Mongmatter
Oja! Ich traf am Mongpahnass
den Dichter Schang Poll Satter
Oja! Ich kenne mein Parih.
Mäh wih!
Ein Septembernachmittag
in der Heide
Immer wieder zieht der alte
Schäfer an der Weidenflöte
Immer wieder
Immer wieder hofft er sehnlichst
endlich einen Ton zu hören
Immer wieder
Immer wieder sagt sein Weib ihm
blasen müsse er, nicht ziehen
Immer wieder
Immer wieder winkt der Alte
kreischend ab und zieht aufs neue
Immer wieder
Dringliche Anfrage
Wer hat ein Alibi für mich?
Ich brauche eins für morgen,
da soll ich es um 12 Uhr 10
der Königin besorgen.
Die Königin ist klein und rund,
der König groß und eckig.
Dem, den sein Mißtraun auch nur streift,
geht es entsetzlich dreckig.
Um 12 Uhr 10 bin ich bestellt.
Ich trau' mich gar nicht, hinzugehn.
Es sei, ich hätt' ein Alibi.
Wer sah mich morgen, 12 Uhr 10?
Doch da ist noch ein Falter
Ein Couplet
Und da wirste geborn
und da fühlste dich klein
und da ließest du alles am liebsten gleich sein
und sagtest »Tschüß Alte, tschüß Alter« -
doch dann sind da die Falter.
Und denen krabbelste nach,
denn die sind so schön bunt,
und…
Und nu biste schon größer
und nu liebste schon wen
und die, die du liebst, will nich mit dir gehn
und du sagst dir: »Mach Schluß jetzt, Mensch Walter!«
doch dann ist da der Falter.
Und dem rennste nach,
denn der ist so schön bunt,
und…
Und denn biste ein Mann
und denn läuft es nicht so
und denn biste oft traurig und nur sehr selten froh
und denn blätterste schon mal im Psalter -
doch da ist noch ein Falter.
Und dem gehste nach,
denn der ist so schön bunt,
und…
Und dann wird dein Haar grau
und dann fühlste dich alt
und dann
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