Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Grund stößt.
Denk sein Knien. Denk wie vom Wasser
aus er zugreift. Denk sein Schwelgen.
Spürst du's?
Ja?
- So also hast du vor Beeren gekniet?
- Ja, so hab ich vor Beeren gekniet.
- Das erklärt natürlich einiges.
Viel und leicht
Von allem viel. Viel Birne, viel Zwetschge. Viel
Traube, viel Pfirsich. Viele Tomaten. Viel
Rascheln der vielen trockenen Blätter. Viel
Haschen der vielen kleinen Katzen. Viel
Duft von viel Harz der vielen Pinien. Viel
Wind in den vielen Oliven. Viel Silber. Viel
Rauschen. Viel Blau in den vielen Hügeln. Viel
Glanz. Viel Wärme. Viel Reife. Viel Glück.
Vor allem leicht. Wie leicht sich das erntet. Leicht
löst sich die Birne, die Zwetschge, der Pfirsich. Leicht
trennt das Messer vom Weinstock die Traube. Leicht
knurrend naht sich die Katze. Sie läßt sich leicht
die Beute abnehmen. Es schreibt die Rechte: Leicht
gesperbert die helle Brust des Vogels, so leicht
in der Linken. Die Flügel sehr dunkel. Darin leicht
gekurvte, gelbe Handschwingen. Ein Zeisig vielleicht.
IV
künstlich
Alles über den Künstler
Der Künstler geht auf dünnem Eis.
Erschafft er Kunst? Baut er nur Scheiß?
Der Künstler läuft auf dunkler Bahn.
Trägt sie zu Ruhm? Führt sie zum Wahn?
Der Künstler stürzt in freiem Fall.
Als Stein ins Nichts? Als Stern ins All?
Heia Safari
Stapf nur, postmoderner Künstler,
durch das Grün der Kunstgeschichte.
Tritt die Halme mutig nieder
auf dem Gang ins Unwegsame.
Bahne dir mit festen Schritten
einen Weg ins Niebetretne.
Schau nach vorne, dorthin, wo dir
Werke, Würden, Weihen winken,
aber:
Blick nicht rückwärts, denn sonst sähst du,
wie die Gräser, kaum getreten,
sich schon wieder aufwärts richten,
wie der Weg, den du gegangen,
Schritt für Schritt sich selber auslöscht,
wie die Spur von deinen Tagen
jährlich, täglich, stündlich schwindet,
bis sie so wie du vergangen:
spurlos.
Kunst und Leben
Was ihn beschäftigt
was ihn bewegt
er in seine Worte legt:
Der Dichter.
Was ihn begeistert
was ihm gefällt
er in seinen Bildern darstellt:
Der Maler.
Wie er sich fühlt
wie ihm zumut
er in seine Töne tut:
Der Musiker.
Was ihn geformt
was ihm bestimmt
er Worten, Bildern und Tönen entnimmt:
Der Mensch.
Ein Künstlerleben
Er glaubte gut zu sein
und war schlecht.
Er glaubte stark zu sein
und war schwach.
Er glaubte was zu sein
und war nichts.
Er glaubte schlecht zu sein
und war gut.
Er glaubte schwach zu sein
und war stark.
Er glaubte nichts zu sein
und war was.
Er glaubte gut zu sein
und war gut.
Er glaubte stark zu sein
und war stark.
Er glaubte was zu sein
und war was.
Er glaubt gut zu sein
und ist nichts.
Er glaubt stark zu sein
und ist schlecht.
Er glaubt was zu sein
und ist schwach.
Er glaubte und
glaubte und
glaubte und
glaubt.
Der Dichter
Abends zählt er seine Leiden,
tut sich an dem Vorrat weiden,
wählt eins aus, bedichtet es,
und das Dichten richtet es.
Morgens aber fleht er wieder:
Schicksalshammer, sause nieder!
Denn ich wähn mich schon im Grabe,
wenn ich nichts zu dichten habe.
Der alte und der junge Dichter
Betritt der alte Dichter den Raum,
hat der junge Dichter den Traum:
So zu werden wie der!
So alt und berühmt wie er!
Liest der junge Dichter im Blatt,
daß der alte uns verlassen hat.
Neidet er ihm sein End,
weil ihn nun alle Welt nennt.
Liegt der alte Dichter im Grab,
denkt der junge Dichter: Nun hab
ich den alten vom Hals.
Merkt er bald: keinesfalls.
Tote Dichter sind schlimm.
Je toter, desto besser bei Stimm.
Wünscht sich der lebende, er
wär bald so tot wie der.
Memento
Den Friedhof im Vorfrühling meide der Dichter.
Halbschatten, Vogelschlag, Schmetterlingsgaukeln,
Glöckchenweiß, Krokusblau, zartestes Blattgrün
sind vor dem Hintergrund all dieser Gräber
schlicht zu poetisch. Nur aus des Eichhorns
geschäftigem Hüpfen könnte ein Könner
vielleicht noch was machen in Richtung »Memento«.
So:
Das Eichhorn hüpft von Grab zu Grab,
ein Glück, daß ich noch keines hab
Oder so:
Noch im Zucken des Schwanzes des Eichhorns
ist mehr Leben als in all diesen Toten
Oder auch so:
Heute noch Eichhorn, morgen schon Leichhorn.
Rat
Seine Lenden, seine Spalten
muß der Dichter offenhalten
für den Fall, daß Gott sich naht.
Merk dir daher meinen Rat:
Schließ die Spalten und die Lenden,
willst du nicht als Dichter enden.
Nachmittag eines Dichters
Horch! Es klopft an deine Tür:
»Mach auf und laß mich
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