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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Grund stößt.
    Denk sein Knien. Denk wie vom Wasser
    aus er zugreift. Denk sein Schwelgen.
    Spürst du's?
    Ja?
    - So also hast du vor Beeren gekniet?
    - Ja, so hab ich vor Beeren gekniet.
    - Das erklärt natürlich einiges.
    Viel und leicht
    Von allem viel. Viel Birne, viel Zwetschge. Viel
    Traube, viel Pfirsich. Viele Tomaten. Viel
    Rascheln der vielen trockenen Blätter. Viel
    Haschen der vielen kleinen Katzen. Viel
    Duft von viel Harz der vielen Pinien. Viel
    Wind in den vielen Oliven. Viel Silber. Viel
    Rauschen. Viel Blau in den vielen Hügeln. Viel
    Glanz. Viel Wärme. Viel Reife. Viel Glück.
    Vor allem leicht. Wie leicht sich das erntet. Leicht
    löst sich die Birne, die Zwetschge, der Pfirsich. Leicht
    trennt das Messer vom Weinstock die Traube. Leicht
    knurrend naht sich die Katze. Sie läßt sich leicht
    die Beute abnehmen. Es schreibt die Rechte: Leicht
    gesperbert die helle Brust des Vogels, so leicht
    in der Linken. Die Flügel sehr dunkel. Darin leicht
    gekurvte, gelbe Handschwingen. Ein Zeisig vielleicht.

IV
    künstlich
    Alles über den Künstler
    Der Künstler geht auf dünnem Eis.
    Erschafft er Kunst? Baut er nur Scheiß?
    Der Künstler läuft auf dunkler Bahn.
    Trägt sie zu Ruhm? Führt sie zum Wahn?
    Der Künstler stürzt in freiem Fall.
    Als Stein ins Nichts? Als Stern ins All?
    Heia Safari
    Stapf nur, postmoderner Künstler,
    durch das Grün der Kunstgeschichte.
    Tritt die Halme mutig nieder
    auf dem Gang ins Unwegsame.
    Bahne dir mit festen Schritten
    einen Weg ins Niebetretne.
    Schau nach vorne, dorthin, wo dir
    Werke, Würden, Weihen winken,
    aber:
    Blick nicht rückwärts, denn sonst sähst du,
    wie die Gräser, kaum getreten,
    sich schon wieder aufwärts richten,
    wie der Weg, den du gegangen,
    Schritt für Schritt sich selber auslöscht,
    wie die Spur von deinen Tagen
    jährlich, täglich, stündlich schwindet,
    bis sie so wie du vergangen:
    spurlos.
    Kunst und Leben
    Was ihn beschäftigt
    was ihn bewegt
    er in seine Worte legt:
    Der Dichter.
    Was ihn begeistert
    was ihm gefällt
    er in seinen Bildern darstellt:
    Der Maler.
    Wie er sich fühlt
    wie ihm zumut
    er in seine Töne tut:
    Der Musiker.
    Was ihn geformt
    was ihm bestimmt
    er Worten, Bildern und Tönen entnimmt:
    Der Mensch.
    Ein Künstlerleben
    Er glaubte gut zu sein
    und war schlecht.
    Er glaubte stark zu sein
    und war schwach.
    Er glaubte was zu sein
    und war nichts.
    Er glaubte schlecht zu sein
    und war gut.
    Er glaubte schwach zu sein
    und war stark.
    Er glaubte nichts zu sein
    und war was.
    Er glaubte gut zu sein
    und war gut.
    Er glaubte stark zu sein
    und war stark.
    Er glaubte was zu sein
    und war was.
    Er glaubt gut zu sein
    und ist nichts.
    Er glaubt stark zu sein
    und ist schlecht.
    Er glaubt was zu sein
    und ist schwach.
    Er glaubte und
    glaubte und
    glaubte und
    glaubt.
    Der Dichter
    Abends zählt er seine Leiden,
    tut sich an dem Vorrat weiden,
    wählt eins aus, bedichtet es,
    und das Dichten richtet es.
    Morgens aber fleht er wieder:
    Schicksalshammer, sause nieder!
    Denn ich wähn mich schon im Grabe,
    wenn ich nichts zu dichten habe.
    Der alte und der junge Dichter
    Betritt der alte Dichter den Raum,
    hat der junge Dichter den Traum:
    So zu werden wie der!
    So alt und berühmt wie er!
    Liest der junge Dichter im Blatt,
    daß der alte uns verlassen hat.
    Neidet er ihm sein End,
    weil ihn nun alle Welt nennt.
    Liegt der alte Dichter im Grab,
    denkt der junge Dichter: Nun hab
    ich den alten vom Hals.
    Merkt er bald: keinesfalls.
    Tote Dichter sind schlimm.
    Je toter, desto besser bei Stimm.
    Wünscht sich der lebende, er
    wär bald so tot wie der.
    Memento
    Den Friedhof im Vorfrühling meide der Dichter.
    Halbschatten, Vogelschlag, Schmetterlingsgaukeln,
    Glöckchenweiß, Krokusblau, zartestes Blattgrün
    sind vor dem Hintergrund all dieser Gräber
    schlicht zu poetisch. Nur aus des Eichhorns
    geschäftigem Hüpfen könnte ein Könner
    vielleicht noch was machen in Richtung »Memento«.
    So:
    Das Eichhorn hüpft von Grab zu Grab,
    ein Glück, daß ich noch keines hab
    Oder so:
    Noch im Zucken des Schwanzes des Eichhorns
    ist mehr Leben als in all diesen Toten
    Oder auch so:
    Heute noch Eichhorn, morgen schon Leichhorn.
    Rat
    Seine Lenden, seine Spalten
    muß der Dichter offenhalten
    für den Fall, daß Gott sich naht.
    Merk dir daher meinen Rat:
    Schließ die Spalten und die Lenden,
    willst du nicht als Dichter enden.
    Nachmittag eines Dichters
    Horch! Es klopft an deine Tür:
    »Mach auf und laß mich

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