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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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herein,
    aus Häusern im Schnee blinkt der Lichter Schein.
    Das ist endlich B, denkt der Reitersmann,
    da staunt eine Frau groß den Fremden an:
    Seltsamer Reiter, eisiger Reiter,
    kommst du von weither?
    Von dahinten, sagt er, und sie fragt: Vom See?
    So gesehen führt kein anderer Weg von A nach B.
    Da stocket sein Herz, er sinkt vom Roß herab,
    und am Ufer ward ihm ein trocken Grab:
    Bodenseereiter, Bodenseereiter,
    da sind wir gescheiter!
    Wir alle müssen von A nach B,
    unser aller Weg führt übern Bodensee.
    Doch um faktisch vorm trocknen Grab sicher zu sein,
    brechen wir prophylaktisch ins nasse ein:
    Bodenseereiter, Bodenseereiter,
    kommt, es geht weiter!
    Bodenseereiter, Bodenseereiter,
    das Leben geht weiter!
    Good news aus Nürtingen
»Uns trägt kein Volk.«
Paul Klee
    Du, Klee, fühltest dich nicht vom Volk getragen,
    Ich, Klee, kann dir von Nürtingen aus sagen:
    Klee, du bist hier total angekommen
    und wurdest in den Wandschmuck des Hotels Vetter aufgenommen.
    Ich, Klee, war im Hotel Vetter in Nürtingen,
    und ich sah, daß es deine Bilder dort voll bringen.
    Du, Klee, deine Werke garnieren
    die Gänge, die vom Restaurant zum Klo führen.
    Ja, Klo. Ich würde mich deswegen nicht groß grämen.
    Den Weg zum Klo muß jeder mal nehmen.
    So daß ein jeder, der sich dorthin bewegt,
    auch ein wenig den Schöpfer des Wandschmucks trägt.
    Du, Klee, bist 1940 gestorben
    und glaubtest dein Volk für deine Kunst auf immer verdorben.
    Ich, Klee, war 1995 in Nürtingen
    und kann dir ein ganz anderes Liedlein singen:
    Dort ist der Hotelgast froh,
    geleitet ihn ein Klee zum Klo.
    Der Maler Pablo Picasso schreibt
an seinen Kunsthändler
Daniel-Henry Kahnweiler
    Sehr geehrter Kunsthändler Kahnweiler,
    Wir hatten einen Deal gemacht,
    der hat bis jetzt nicht viel gebracht.
    Erst hab ich blau in blau gemalt,
    Sie haben äußerst mau gezahlt.
    Dann hab ich's mit Rosé versucht,
    doch nichts im Portemonnaie verbucht.
    Nun also wären Kuben dran -
    Sie schaffen nicht mal Tuben ran.
    Werd ich nicht nach Tarif bezahlt,
    wird ab sofort naiv gemalt.
    Zwar beißt die Maus kein Faden ab,
    daß ich davon den Schaden hab,
    doch trudeln keine Mäuse ein,
    stürzt langsam mein Gehäuse ein.
    Mein Herr! Sie haben Braque bedacht,
    und der hat nichts als Quack gebracht.
    Sie haben Juan Gris bezahlt,
    und der hat ziemlich mies gemalt.
    Zwar stimmt es, daß die Pressewelt
    vor meinem Werk die Fresse hält,
    doch läßt mich unser Blätterwald
    samt selbsternannter Retter kalt.
    Den haben sie mit Dank bedacht -
    die Nachwelt hat sich krankgelacht.
    Den haben sie durch Spott versehrt -
    heut wird der Mann als Gott verehrt.
    Wie wenig ein Verriß bewegt,
    hat eben erst Matisse belegt.
    Zwar hat er einen Schreck gekriegt,
    doch den hat rasch Ihr Scheck besiegt.
    Solang Sie ihm die Bilder zahln,
    wird Henri wie ein Wilder maln,
    da jeder, sofern Bares lacht,
    gern Schönes, Gutes, Wahres macht.
    Mit vorzüglicher Hochachtung
    Pablo Picasso, Kunstmaler
    PS  Ein Vorschlag zur Güte:
    Zunächst wird kräftig angezahlt,
    sodann wird wie Cezanne gemalt,
    der Gegenstand wird kleingehackt
    und soviel Schotter eingesackt,
    daß jeder, der Picasso kennt,
    ihn nur noch Herrn Incasso nennt.
    Nachdem er die Kölner
Malewitsch-Ausstellung
gesehen hatte
    Malewitsch malte ein schwarzes Quadrat,
    das war kein Bild, das war eine Tat:
    Hoch Malewitsch.
    Malewitsch hielt sich seither für genial,
    doch war er das nur dieses einzige Mal,
    der Malewitsch.
    Malewitsch war ein armes Schwein,
    er fiel in die eigene Falle hinein,
    tja Malewitsch.
    Malewitsch malte die Kunst ins Aus,
    doch zog er selbst keinen Schluß daraus,
    o Malewitsch.
    Malewitsch führt vor, was dann entsteht,
    wenn einer, der ankommt, noch weitergeht.
    Ach Malewitsch.
    Geschehen und gesehen
    Der Schwamm ist ausgedrückt
    Die Lehre ist erteilt
    Der Fuß ist gewaschen
    Die Frau ist bezahlt worden
    Die Magd ist geweckt
    Der Herr ist bezaubert
    Der Brief ist gelesen
    Die Milch ist ausgegossen worden
    Der Wein ist getrunken
    Die Stadt ist besichtigt
    Die Straße ist gefegt
    Die Laute ist gestimmt worden
    Die Partitur ist studiert
    Der Verehrer ist erhört
    Die Kette ist verschlossen
    Die Waage ist ausgeglichen worden
    Der Brief ist gelesen
    Die Kanne ist entleert
    Das Trio ist einstudiert
    Die Musikstunde ist beendet worden
    Die Perle ist abgelegt
    Die Muse ist gemalt
    Der Hut ist abgesetzt
    Der Brief ist geschrieben worden
    Der Brief ist gelesen
    Der Himmel ist erforscht
    Die Welt ist

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