Gesammelte Wanderabenteuer
wissen.
Von hier war es nicht mehr weit nach Manderscheid. Schon zwei Kilometer später sahen wir den Kirchturm und die beiden Burgen. Jetzt mussten wir nur noch an der Pension Garni »Burgenblick« vorbei und standen fünf Minuten später auf dem Rathausvorplatz. Genau an der Stelle, an der ich schon mal den Manderscheider Rosenmontagszug gesehen habe.
Eigentlich wollte ich mit meiner Familie 1999 keinen |38| Karneval feiern. Ich hatte Manderscheid als Kurzurlaubsziel ausgewählt, da dort die meisten Hauptwanderwege der Eifel zusammentreffen. Experten sprechen in diesem Zusammenhang auch von »Wanderscheid«.
Doch auch in der Eifel wurde Karneval gefeiert. Und wie! Die Zugstrecke war zwar nur 400 Meter lang. Trotzdem dauerte der Zug über eine Stunde, da er sich sehr langsam vorwärts bewegte. In der Eifel werden nämlich keine Kamelle geschmissen. Dort gibt es für die Zuschauer am Wegesrand Schnaps. Genever, Baileys, Whiskey, Wodka, Jägermeister, Cognac, alles wird abwechselnd in kleine Plastik-Schnapsgläschen geschüttet, sodass alle Jecken nach einer Stunde abgefüllt sind.
Dass ich immer wieder gerne nach Manderscheid fahre, liegt gewiss nicht an seinem Karnevalszug. Es sind vielmehr die großartigen Wanderwege rund um die Stadt, Wanderwege mit Wasserfällen und gefährlichen Wolfsschluchten. Vom Steinrondell Belvedere hat man einen atemberaubenden Blick über das Tal der Lieser und die Burgen. (Den fand schon Kaiser Wilhelm II. gut, allerdings ist er nicht dort hingewandert, sondern war bequem mit der Kutsche unterwegs.)
In Manderscheid findet man sehr gute Unterkünfte, wie den »Kapellenhof« der Familie Krämer, der mehrfach als Ferien-Bauernhof des Jahres ausgezeichnet wurde, oder das Hotel »Zens« mit Hallenbad und Sauna, das einen urigen Eifel-Charme versprüht. Dort habe ich mit meinem Vater am Abend unserer ersten Etappe übernachtet. Aber Vorsicht: Dieses Hotel hatte ich unter der Rubrik »Kleine Fluchten« schon einmal in einer Frauenzeitschrift empfohlen. Danach hat sich eine Frau bitter |39| beschwert, wie ich denn so ein Hotel empfehlen könne. Da hätten in der Nachbarschaft Kinder geschrien. Empfehlungen sind nun mal Geschmackssache.
Trotzdem möchte ich die Manderscheider Küche erwähnen. Im Eifel-Vergleich ist sie sensationell. Mein Favorit ist die neudeutsche Kochkunst in der »Alten Molkerei«. Hier wird mit Zutaten aus der Umgebung gekocht, und dazu gibt es tolle Weine aus dem Liesertal zwischen Wittlich und der Mosel. Leider hatte die »Alte Molkerei« Ruhetag, als ich mit meinem Vater da war. Dafür haben wir sehr lecker im »Postillion« gegessen. Die Wirtsfrau hatte erstaunlicherweise einen leicht hessischen Zungenschlag. Sie führte das Restaurant zusammen mit ihrem Mann bereits 33 Jahre und suchte nun einen Nachfolger. In drei bis vier Jahren sei Schluss, sagte sie, und die Kinder wollten oder konnten das Restaurant nicht übernehmen. Sie erzählte, dass die meisten Wanderer im Herbst kämen. Im Frühling und Frühsommer bei bestem Wanderwetter fände kaum einer hierher. Damit bestätigte sie unseren Eindruck, wie wenig auf dem Weg los war und dass wir uns für die beste Wanderzeit entschieden hatten, wenn man keine vollen Wanderwege mag.
Darüber hinaus hat Manderscheid ein herrliches Freibad, das 1965 eröffnet wurde und immer noch top in Schuss ist. Das Drei-Meter-Sprungbrett ist in satten Blau- und Rotfarben gestrichen und seit fast 40 Jahren unverändert. Genauso sahen die Freibäder meiner Kindheit aus, ohne Rutschen-Schnickschnack und Spaßbad-Faktor. Dieses Freibad ist ein Freibad-Freilichtmuseum, eine Zeitreise in die Vergangenheit.
|40| Ein »richtiges« Museum besitzt Manderscheid aber auch: das Maarmuseum, wo das Urpferdchen vom Eckfelder Maar ausgestellt ist und in einer Rüttelmaschine der Ausbruch eines Vulkans nachempfunden wird. Sehr gefühlsecht.
Aber es sind die Burgen, die Manderscheid so unverwechselbar machen. Am zweiten Tag gingen wir morgens vom Hotel »Zens« aus den Lieserpfad weiter, und nach kaum zehn Minuten waren die beiden Burgen bereits zu sehen. Ich machte ein Foto, wie jedes Mal, wenn ich an diese Stelle kam. Ich hätte mir auch eine Postkarte kaufen können, denn dieser Blick auf die beiden Burgen ist der Motivklassiker von Manderscheid.
Mir ist weltweit kein ähnlicher Fall bekannt, dass sich zwei Burgen auf derart kurzer Distanz belauern. Die ältere Burg ist die Oberburg, die, wie der Name schon sagt, auf einer Bergkuppe
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