Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
Kapitel Eins
» Liebes Tagebuch«, flüsterte Elena, » so ein Mist! Ich habe dich im Kofferraum liegen lassen und es ist zwei Uhr morgens.« Sie drückte sich einen spitzen Finger auf das von ihrem Nachthemd umhüllte Bein, als hielte sie einen Stift in der Hand und setze einen Punkt. Dann lehnte sie die Stirn an die Fensterscheibe und flüsterte noch leiser: » Und ich habe Angst rauszugehen– in die Dunkelheit–, um dich zu holen. Ich habe Angst!« Sie stieß sich noch einmal mit dem Finger auf ihren Oberschenkel, und als sie spürte, dass ihr Tränen über die Wangen rannen, schaltete sie ihr Handy widerstrebend auf Aufnahme. Es war eine unvernünftige Akkuverschwendung, aber sie konnte nicht anders. Sie brauchte das.
» Also, hier bin ich«, sagte sie leise. » Ich sitze auf dem Rücksitz des Jaguars. Dies muss mein Tagebucheintrag für heute sein. Übrigens, wir haben eine Regel für diese Reise aufgestellt– ich schlafe auf der Rückbank und für Matt und Damon heißt es hinaus in die Natur. Im Moment ist es draußen so dunkel, dass ich Matt nirgendwo sehen kann… Und ich war drauf und dran, verrückt zu werden– habe geweint und mich verloren gefühlt–, und ich habe solche Sehnsucht nach Stefano…
Wir müssen den Jaguar loswerden– er ist zu groß, zu rot, zu protzig und zu auffällig, da wir gerade versuchen, nicht aufzufallen, während wir an den Ort reisen, an dem ich Stefano befreien kann. Wenn der Wagen verkauft ist, wird der Anhänger aus Lapislazuli und Diamant, den Stefano mir geschenkt hat, das Kostbarste sein, das mir geblieben ist. Stefano… der überlistet wurde, weil er dachte, er könne wieder ein gewöhnliches menschliches Wesen werden. Und jetzt…
Wie kann ich aufhören, darüber nachzudenken, was sie ihm womöglich in ebendieser Sekunde antun, wer immer ›sie ‹ auch sind? Wahrscheinlich die Kitsune, die bösen Fuchsgeister in dem Gefängnis, das Shi no Shi genannt wird.«
Elena hielt inne, um sich mit dem Ärmel ihres Nachthemds die Nase abzuwischen.
» Wie bin ich bloß in diese Situation geraten?« Sie schüttelte den Kopf und schlug mit der geballten Faust gegen die Rückenlehne.
» Wenn ich das herausfinden könnte, könnte ich mir vielleicht einen Plan A zurechtlegen. Ich habe immer einen Plan A. Und meine Freunde haben immer einen Plan B und C, um mir zu helfen.« Elena blinzelte, um beim Gedanken an Bonnie und Meredith die Tränen zurückzuhalten. » Aber jetzt habe ich Angst, dass ich sie nie wiedersehen werde. Und ich habe Angst um Fell’s Church, um die ganze Stadt.«
Einen Moment lang saß sie einfach da, die geballte Faust auf dem Knie. Eine leise Stimme in ihr sagte: » Also, hör auf zu jammern, Elena, und denk nach. Denk nach. Fang am Anfang an.«
Der Anfang? Was war der Anfang gewesen? Stefano?
Nein. Sie hatte schon in Fell’s Church gelebt, lange bevor Stefano gekommen war.
Langsam, beinahe träumerisch, sprach sie in ihr Handy. » Zunächst einmal: Wer bin ich? Ich bin Elena Gilbert, achtzehn Jahre alt.« Noch langsamer fügte sie hinzu: » Ich denke nicht, dass es eitel wäre, wenn ich sage, dass ich schön bin. Nur, wenn ich nie in einen Spiegel geschaut oder ein Kompliment gehört hätte, könnte ich so tun, als wüsste ich das nicht. Es ist nichts, worauf ich stolz sein sollte– es ist einfach etwas, das von Mom und Dad an mich weitergegeben wurde.
Wie sehe ich aus? Ich habe blondes Haar, das mir in Wellen über die Schulter fällt, und blaue Augen, die manche Leute schon mit Lapislazuli verglichen haben: dunkelblau mit goldenen Einsprengseln.« Sie stieß ein halb ersticktes Lachen aus. » Vielleicht ist das der Grund, warum Vampire mich mögen.«
Dann wurden ihre Lippen schmal, und während sie in die absolute Schwärze hinausstarrte, sprach sie ernst weiter.
» Eine Menge Jungs haben mich schon als engelsgleiches und schönstes Mädchen auf der Welt beschrieben. Und ich habe mit ihnen gespielt. Ich habe sie benutzt– weil ich mich gern begehrt fühlte, zu meiner Unterhaltung, zu welchen Zwecken auch immer. Ich bin ehrlich, okay? Ich habe sie als Spielzeuge oder Trophäen betrachtet.« Sie hielt inne. » Aber da war noch etwas anderes. Etwas, von dem ich mein ganzes Leben lang wusste, dass es kommen würde– aber ich wusste nicht, was es war. Ich hatte das Gefühl, nach etwas zu suchen, das ich bei Jungs niemals finden konnte. Keine meiner Intrigen oder Spielchen mit ihnen haben jemals mein… tiefstes Herz… berührt, bis ein ganz
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