Gesammelte Werke 1
verstehe nicht«, sagte der Staatsanwalt.
»Ich meine, dass … äh … wenn ich ihn anrufen soll, muss ich doch … ähm … seine Nummer wissen. Er hinterlässt doch nie seine Nummer.« Rot angelaufen vor lauter Qual, hantierte Kaulquappe herum, klopfte mit den Händen auf den Tisch und fand schließlich einen Bleistift. »Wo soll ich anrufen?«
Der Staatsanwalt gab auf. »War nur Spaß.«
»Was … äh … wieso …« Kaulquappes Miene verriet nun in schneller Abfolge die verdächtigsten Emotionen. »Ah! Ein Spaß?« Er lachte gekünstelt. »Da hast du mich ja pfiffig … So ein Spaß! Und ich dachte schon … Ha-ha-ha … Ach, da ist ja auch schon das Teechen!«
Der Staatsanwalt nahm aus den sehr gepflegten Händen der sehr gepflegten Sekretärin ein Glas starken heißen Tee entgegen und sagte: »Schön, jetzt hatten wir unseren Spaß. Aber meine Zeit ist knapp. Wo hast du den Schrieb?«
Nach vielen überflüssigen Bewegungen zog Kaulquappe den Entwurf des Inspektionsprotokolls hervor und gab ihn dem Staatsanwalt. Urteilte man danach, wie er sich wand und krümmte, strotzte das Schriftstück von Falschinformationen, diente dem Ziel, die Inspektoren in die Irre zu führen, und war überhaupt in rein subversiver Absicht verfasst worden.
»So …« Der Staatsanwalt lutschte an einem Stück Zucker. »Was hast du hier … Protokoll der Revision … Laboratorium für Interferenz … Laboratorium für Spektraluntersuchungen … Laboratorium für Integralemission … Ich begreife kein Wort, so ein Kauderwelsch! Wie findest du dich in diesem Kram zurecht?«
»Ich … äh … weißt du, ich werde ja auch nicht draus klug. Ich bin doch von der Ausbildung her … äh … Verwalter, meine Aufgabe … ähm … ist die allgemeine Leitung.«
Kaulquappe verbarg seine Augen, biss sich auf die Lippen, wühlte in seinen Haaren - und schon war sonnenklar, dass es sich hier mitnichten um einen Verwalter handelte, sondern um einen hontianischen Spion der höchsten Qualifikation … Was für ein Typ!
Der Staatsanwalt wandte sich wieder dem Protokoll zu. Er machte eine tiefgründige Bemerkung zur Überziehung der Mittel durch die Gruppe für Leistungssteigerung und fragte, wer Soi Barutu sei - etwa ein Verwandter des bekannten Propaganda-Schriftstellers Moru Barutu? Er kritisierte
das linsenlose Refraktometer, das horrende Summen verschlungen, aber noch immer keine Anwendung gefunden habe, und wertete die Ergebnisse des Sektors für die Erforschung und Optimierung von Strahlen aus. Dabei merkte er an, dass er keine wesentlichen Fortschritte erkennen könne (Gott sei Dank, ergänzte er in Gedanken), und dass diese seine Meinung unbedingt in die Reinschrift des Protokolls aufzunehmen wäre.
Den Abschnitt, der die Arbeit des Sektors Strahlenschutz betraf, überflog er noch flüchtiger. »Ihr tretet auf der Stelle«, erklärte er. »Hinsichtlich des physikalischen Schutzes habt ihr überhaupt nichts erreicht, und was den physiologischen Schutz angeht - noch weniger. Überhaupt ist physiologische Abwehr nicht das, was wir brauchen - warum sollte sich wohl jemand auseinanderschnippeln lassen? Was für ein Unsinn! Die Chemiker hingegen sind tüchtig, haben eine weitere Minute rausgeschunden. Im vorigen Jahr eine, im vorvorigen anderthalb. Was folgt daraus? Es folgt, dass ich, wenn ich eine Pille schlucke, mich statt dreißig Minuten nur noch zweiundzwanzig quäle. Nicht schlecht. Fast dreißig Prozent. Notiere meine Meinung: Das Tempo für die Arbeiten am physikalischen Schutz erhöhen, die Mitarbeiter der Abteilung für chemischen Schutz fördern und motivieren. Das war’s.«
Er warf Kaulquappe die Blätter hin.
»Lass das sauber abtippen, auch meine Einschätzung. Und nun führe mich pro forma, na, sagen wir … äh … bei den Physikern war ich letztes Mal. Bring mich also zu den Chemikern, ich sehe mir an, wie es so bei ihnen ist.«
Kaulquappe sprang auf und hämmerte wieder auf seine Knöpfe. Der Staatsanwalt erhob sich mit dem Ausdruck äußerster Erschöpfung.
In Begleitung von Kaulquappe und dem Tagesreferenten schlenderte er durch die Labors der Abteilung für chemischen
Schutz, bedachte die Leute, die einen Streifen auf dem Kittelärmel trugen, mit höflichem Lächeln, klopfte den Streifenlosen auf die Schulter und verharrte bei den Mitarbeitern mit zwei Streifen - drückte ihnen die Hand, nickte mit dem Kopf, als verstünde er, worüber sie sprachen, und erkundigte sich, ob es Beanstandungen gebe.
Beanstandungen gab
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