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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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gleichmütig herabgelassener Lider verbargen sie den Glanz dieses Zimmers, in dem der Tee aus einer matten silbernen Kanne jetzt in die Tassen fiel, mit einem leisen Klingen aufschlug und dann im Strahle stillzustehen schien, wie eine gedrehte, durchsichtige Säule aus stroh-braunem, leichtem Topas ... In den etwas eingebogenen Flächen der Kanne lagen Schatten von grünen und grauen Farben, auch blaue und gelbe; sie lagen ganz still, wie wenn sie dort zusammengeflossen wären und nicht weiter könnten. Der Arm der Frau aber ragte von der Kanne weg und der Blick, mit dem sie nach ihrem Manne sah, bildete mit ihm einen starren, steifen Winkel.
    Gewiß einen Winkel, wie man sehen konnte; aber jenes andere, beinahe Körperliche konnten nur diese beiden Menschen in ihm fühlen, denen es vorkam, als spannte er sich zwischen ihnen wie eine Strebe aus härtestem Metall und hielte sie auf ihren Plätzen fest und verbände sie doch, trotzdem sie so weit auseinander waren, zu einer Einheit, die man fast mit den Sinnen empfinden konnte; ... es stützte sich auf ihre Herzgruben und sie spürten dort den Druck, ... er richtete sie steif an den Lehnen ihrer Sitze in die Höhe, mit unbewegten Gesichtern und unverwandten Blicken, und doch fühlten sie dort, wo er sie traf, eine zärtliche Bewegtheit, etwas ganz Leichtes, als ob ihre Herzen wie zwei Schwärme kleiner Schmetterlinge ineinanderflatterten ...
    An diesem dünnen, kaum wirklichen und doch so wahrnehmbaren Gefühl hing, wie an einer leise zitternden Achse, das ganze Zimmer und dann an den beiden Menschen, auf die sie sich stützte: Die Gegenstände hielten umher den Atem an, das Licht an der Wand erstarrte zu goldenen Spitzen, ... es schwieg alles und wartete und war ihretwegen da; ... die Zeit, die wie ein endlos glitzernder Faden durch die Welt läuft, schien mitten durch dieses Zimmer zu gehen und schien mitten durch diese Menschen zu gehen und schien plötzlich einzuhalten und steif zu werden, ganz steif und still und glitzernd ... und die Gegenstände rückten ein wenig aneinander. Es war jenes Stillstehen und dann leise Senken, wie wenn sich plötzlich Flächen ordnen und ein Kristall sich bildet ... Um diese beiden Menschen, durch die seine Mitte lief und die sich mit einemmal durch dieses Atemanhalten und Wölben und Um-sie-lehnen wie durch Tausende spiegelnder Flächen ansahen und wieder so ansahen, als ob sie einander zum erstenmal erblickten ...
    Die Frau setzte den Tee ab, ihre Hand legte sich auf den Tisch; wie erschöpft von der Schwere ihres Glücks, sank ein jedes in seine Kissen zurück und während sie sich mit den Augen aneinander festhielten, lächelten sie wie verloren und hatten das Bedürfnis nichts von sich zu sprechen; sie sprachen wieder von dem Kranken, von einem Kranken eines Buches, das sie gelesen hatten, und sie begannen gleich mit einer ganz bestimmten Stelle und Frage, als ob sie daran gedacht hätten, obwohl das nicht wahr war, denn sie nahmen damit nur ein Gespräch wieder auf, das sie schon durch Tage in einer sonderbaren Weise festgehalten hatte, so als ob es sein Gesicht verbürge und während es von dem Buche handelte, eigentlich anderswohin sähe; nach einer Weile waren ihre Gedanken denn auch ganz unmerklich über diesen unbewußten Vorwand wieder zu ihnen selbst zurückgekehrt.
    «Wie mag ein solcher Mensch wie dieser G. sich wohl selbst sehen?» fragte die Frau und sprach – in Nachdenken versunken, fast nur wie für sich allein – weiter. «Er verführt Kinder, er verleitet junge Frauen, sich selbst zu schänden; und dann steht er da und lächelt und starrt gebannt auf das bißchen Erotik, das irgendwo wie ein schwacher Schein in ihm wetterleuchtet. Glaubst du, daß er unrecht zu handeln meint?»
    «Ob er es meint? ... Vielleicht; vielleicht nicht,» antwortete der Mann, «vielleicht darf man bei solchen Gefühlen gar nicht so fragen.»
    «Ich glaube aber,» sagte die Frau, und jetzt zeigte sich darin, daß sie gar nicht von diesem einen zufälligen Menschen sprach, sondern von irgend etwas Bestimmtem, das für sie bereits hinter ihm dämmerte, «ich glaube, er meint gut zu handeln.»
    Die Gedanken liefen nun eine Weile lautlos Seite an Seite, dann tauchten sie – weit draußen – in den Worten wieder auf; es war trotzdem, als hielten sie einander noch schweigend bei den Händen und wäre schon alles gesagt. «... er tut seinen Opfern schlecht, weh, er muß wissen, daß er sie demoralisiert, ihre Sinnlichkeit verstört und in

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