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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Interpretation beschäftigen muß, aber, wie bereits hier einsichtig ist, keineswegs notwendig einer naturalistischen Hypostasis der Begriffe entspringt. Zu dieser Dynamik rechnet auch der freilich allzu quantitativ formulierte Satz, daß der Stärke der Verdrängung äquivalent sei die Stärke des Widerstandes des zu Analysierenden gegen seine Analyse. Unter den Begriff der Äquivalenz vergleichbarer Triebquanten sucht Freud die Dynamik durchgehends zu bringen und damit, wie er sich ausdrückt, die Dynamik des Seelenlebens durch eine
Ökonomik
zu ersetzen. Wir verzichten hier darauf, die Problematik jener ökonomischen Auffassung des Seelenlebens zu verfolgen, die herrührt von der Unmöglichkeit, die Wägbarkeit und Meßbarkeit, die im Gebiet der physischen Dinge gilt, in gleicher Weise fürs phänomenale Gebiet und auch für die Seelendinge durchzuführen; die psychoanalytische Forschung scheint uns in ihrer Fassung der »psychischen Ökonomik« noch auf der Stufe des längst kritisch aufgelösten Weber-Fechnerschen Gesetzes stehengeblieben. Wichtig ist uns vielmehr, daß die dynamische Auffassung eine Differenzierung des Begriffs des
Unbewußten
ergibt. Das Maß jener Differenzierung bieten die Begriffe der
Verdrängung
und der
Zensur.
Alle
nicht
zensurierten Tatbestände heißen unbewußt schlechthin; diejenigen von ihnen, die der Mechanismus der Zensur verhindert hat, bewußt zu werden, heißen verdrängt. Die Tatbestände, die Zensur erfahren haben, ohne von ihr »zurückgewiesen«, das heißt gesetzmäßig verändert worden zu sein; die aber nicht gegenwärtiges oder in ausdrücklicher Erinnerung gegebenes Erlebnis sind, es freilich jederzeit werden können, weil sie keinem »Mechanismus des Widerstandes« unterliegen, heißen
vorbewußt.
Bewußt sind endlich nur jene Tatsachen, die auch wir als »bewußt im engeren, prägnanten Sinn« definierten. Es kommt uns hierbei nicht sowohl darauf an, den kausal-hypothetischen Mechanismus kritisch zu diskutieren, der diese Differenzierung ergibt, als vielmehr mit einem Beispiel zu belegen, in welcher Weise allgemein die Psychoanalyse ihre dynamischen Theorien für Begriffsbestimmungen ausnutzt und im besonderen, wie sie dabei mit dem Begriff des Unbewußten verfährt.
    Es bleibt übrig, in Kürze zu sagen, wie sich die Psychoanalyse den Zusammenhang der psychischen mit der physischen Welt denkt. Es seien, da die Analyse eine vollständige Theorie jenes Zusammenhanges nicht bietet, auch gar nicht zu bieten braucht, zwei prägnante Einzelformulierungen Freuds angeführt. Die erste findet sich in Freuds Lehre von der Amnesie: »Wir haben als den ›Sinn‹ eines Symptoms zweierlei zusammengefaßt, sein Woher und sein Wohin oder Wozu, daß heißt die Eindrücke und Erlebnisse, von denen es ausgeht, und die Absichten, denen es dient. Das Woher eines Symptoms löst sich also in Eindrücke auf, die von außen gekommen sind, die notwendigerweise einmal bewußt waren und seither durch Vergessen unbewußt geworden sein mögen. Das Wozu des Symptoms, seine Tendenz, ist aber jedesmal ein endopsychischer Vorgang, der möglicherweise zuerst bewußt geworden ist, aber ebensowohl niemals bewußt war und von jeher im Unbewußten verblieben ist.« (Vorl., 294) Das letzte wäre also bei all den Tatbeständen, die selbst nie Erlebnis waren, sondern ein Gesetz
für
Erlebnisse sind, mithin bei allen Seelen
dingen
der Fall. – Die zweite aufschlußreiche Formulierung gibt Freud bei Gelegenheit der Unterscheidung der Aktualneurosen von den Psychoneurosen. Freud glaubt in
beiden
Fällen an die triebmäßige Verursachung, leitet beidemale die Symptome aus der
Libido
ab. »Aber die Symptome der Aktualneurosen, ein Kopfdruck, eine Schmerzempfindung, ein Reizzustand in einem Organ, die Schwächung oder Hemmung einer Funktion haben keinen ›Sinn‹, keine psychische Bedeutung. Sie äußern sich nicht nur vorwiegend am Körper, wie auch z.B. die hysterischen Symptome« – die man ja bekanntlich den Psychoneurosen zuzählt – »sondern sie sind auch selbst durchaus körperliche Vorgänge, bei deren Entstehung alle die komplizierten seelischen Mechanismen, die wir kennen gelernt haben, entfallen.« (Vorl., 408) Unsere Interpretation wird uns nochmals auf jene beiden Formulierungen führen.
    Wir beschließen unsere Darstellung mit der Anführung zweier allgemeinerer Definitionen der Psychoanalyse, die Freud gibt. Die eine besagt, »daß man die Aufgabe der psychoanalytischen Behandlung in die

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