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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Formel fassen kann, alles pathogene Unbewußte in Bewußtes umzusetzen« (Vorl., 292). Sie bezeichnet eindeutig das Erkenntnisziel der psychoanalytischen Therapie. Bei der zweiten Definition ist von der Therapie ganz abstrahiert. »Die Psychoanalyse wird als Wissenschaft nicht durch den Stoff, den sie behandelt, sondern durch die Technik, mit der sie arbeitet, charakterisiert. Man kann sie auf Kulturgeschichte, Religionswissenschaft und Mythologie ebensowohl anwenden wie auf die Neurosenlehre, ohne ihrem Wesen Gewalt anzutun. Sie beabsichtigt und leistet nichts anderes als die Aufdeckung des Unbewußten im Seelenleben.« (Vorl., 410)
     

3. Zur erkenntniskritischen Interpretation der Psychoanalyse
     
    Wir konnten und wollten unsere Darstellung der psychoanalytischen Methode von ihrer erkenntniskritischen Interpretation nicht in Schärfe trennen. Die Rücksicht auf die erkenntnistheoretische Endabsicht unserer Untersuchung, deren wir eingedenk blieben, zwang uns dauernd zur Übersetzung der psychoanalytischen Begriffe in erkenntnistheoretische; ohne solche Übersetzung wäre der Zusammenhang der psychoanalytischen Methode mit unserer transzendentalen Theorie kaum ersichtlich zu machen gewesen. Diese Übersetzung zwang uns zugleich aber auch, solche Elemente der psychoanalytischen Disziplin auszuschalten, die sich nicht »übersetzen« lassen, weil sie der Struktur unserer Erkenntnistheorie nicht gemäß sind; und erzwang so den Ansatz einer
Kritik
mancher psychoanalytischen These. Damit aber mußten wir die Schwelle des bloßen übersetzenden Referats dauernd überschreiten und in die selbständige Diskussion der Sachen selbst eintreten. Wir haben damit alle Elemente einer erkenntnistheoretischen Interpretation der Psychoanalyse bereits klargelegt. Es bleibt uns übrig, sie zusammenzufassen und die Betrachtung an den Stellen zu ergänzen, wo die Psychoanalyse durch die Begrenzung ihrer Methode von sich aus nicht zu abschließenden Theorienbildungen gelangt. Wir haben also gleichsam die Linien des psychoanalytischen Denkzusammenhanges soweit zu verlängern, daß sein Charakter als
System
evident wird; denn daß wir es mit einem systematischen Denkgebilde zu tun haben, daran kann nach allem, was wir von der Abhängigkeit der psychoanalytischen Bestimmungen von der Gesetzmäßigkeit des Bewußtseinszusammenhanges erfuhren, kein Zweifel sein. Nicht zufällig sucht Freud die deskriptiven Befunde allerorts durch dynamische Reduktionen auf den Bewußtseinszusammenhang zu ersetzen; nicht zufällig auch ist die »rein« deskriptive Psychologie der phänomenologischen Schulen der Psychoanalyse so unversöhnlich entgegen; der systematische Charakter gerade der psychoanalytischen Methode, der auf eine möglichst einheitliche Zusammenfassung des Erfahrungsmaterials drängt und dabei über die bloß phänomenalen Tatbestände hinaus den Formen des Zusammenhangs zustrebt, dieser systematische Zug der Psychoanalyse ist es ja gerade, der ihr aus allen organizistischen, der rationalen Ordnung feindlichen Lagern den Vorwurf des »Gezwungenen«, des »gewaltsam Konstruierten« zuzieht. Für unsere »Verlängerung« der psychoanalytischen Theorie ist uns, wie es nach dem Gange unserer Untersuchung nicht anders sein kann, ein Kanon die transzendentale Theorie des Unbewußten, zu der uns unsere Erörterung über die »Elemente der transzendentalen Seelenlehre« brachte.
    Wir fassen zunächst die Ergebnisse unserer Darstellung für die Konstitution der psychoanalytischen
Grundbegriffe
zusammen; vergewissern uns also, ob unsere Darstellung die Tatsachen, die uns zur Wahl gerade der Psychoanalyse als der Methode der Erkenntnis des Unbewußten veranlaßt hatten, als wirklich fundamentale Tatsachen der Psychoanalyse aufgedeckt hat.
    Die psychoanalytische Methode stimmt entscheidend darum mit der transzendentalen Methode überein, weil sie die psychischen Gesetzmäßigkeiten faßt als konstituiert durch den Zusammenhang der Erlebnisse zur Einheit des persönlichen Bewußtseins; weil sie aus der Einheit des Bewußtseins ihre Voraussetzungen zieht, also die Sätze, die zwar im Verlauf der psychoanalytischen Erkenntnis stets und stets sich bewahrheiten müssen, deren Gültigkeit aber nicht etwa logisch aus dem Gang der psychoanalytischen Forschung abgeleitet werden kann, sondern für den Gang jener Forschung notwendig bereits vorausgesetzt ist. Daß aber diese Voraussetzung keine andere ist als die der Bewußtseinseinheit, zeigt sich schon mit dem

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