Gesammelte Werke
durch keinen anderen Komplex als den des Elements selbst bestimmt sein und auch zu dessen Aufdeckung führen werden« (Vorl., 105). Damit ist das Grundprinzip für Traumbildung und Traumdeutung gegeben. Der »Sinn« der Träume, ganz analog dem »Sinn« der Fehlleistungen, ist dem Träumenden, zunächst auch nach dem Traum, »verborgen, unzugänglich«. Dafür setzt Freud wiederum den Begriff des Unbewußten ein und bestimmt ihn näher: »Wir meinen damit nichts anderes, als was [uns] die Beziehung auf das entfallene Wort oder auf die störende Tendenz der Fehlleistung vorhalten kann, nämlich
derzeit unbewußt.
Natürlich dürfen wir im Gegensatz hierzu die Traumelemente selbst und die durch Assoziation neu gewonnenen Ersatzvorstellungen
bewußte
heißen.« (Vorl., 108) Die gleiche Unterscheidung zwischen Traum und Traumsinn formuliert Freud auch in der Weise, daß er »das, was der Traum erzählt, den
manifesten Trauminhalt«
nennt – der uns natürlich, wenn wir analysieren, auch bereits nur durch Erinnerung gegeben sein kann –, »das Verborgene, zu dem wir durch die Verfolgung der Einfälle kommen sollen, die
latenten Traumgedanken«.
(Vorl., 115). Soweit wir uns der latenten Traumgedanken nicht ohne weiteres durch Erinnerung oder die Assoziationstechnik versichern können – und daß wir es nie ohne Widerstand können, ist ein Kernstück der Freudischen Traumlehre, dessen eingehende Behandlung wir uns hier freilich versagen müssen; nämlich der Wunschtheorie, die zur Trieblehre und der dynamischen Auffassung des Bewußtseinslebens leitet –, soweit also unsere Erkenntnis des Sinnes der Träume in gesetzmäßiger Weise auf Widerstand stößt, zugleich jedoch die Notwendigkeit bestehen bleibt, einen Sinn der Träume anzunehmen, modifiziert Freud seine Terminologie, die Unbewußtheit als derzeitige Unbewußtheit gefaßt hatte, und redet von
dauernder Unbewußtheit
(vgl. Vorl., 145f.). Den Begriff des dauernd Unbewußten wendet Freud in einem Teil seiner Theorie so, daß er nicht mehr sich als eine Gesetzmäßigkeit des unmittelbar Gegebenen im Sinne unserer transzendentalen Erörterung darstellt, sondern als eine vom Bewußtseinszusammenhang unabhängige Hypothese, die von der Phylogenesis des Menschen ausgeht, gewisse unbewußte Tatbestände im Bewußtseinsleben des Einzelnen zum Erbgut der Gattung macht und in einer Theorie objektiver, vom persönlichen Bewußtsein unabhängiger Traumsymbole gipfelt. Diese Theorie, eine der geistreichsten, aber auch eine der gefährdetsten der psychoanalytischen Disziplin, bleibt für unsere Untersuchung außer Betracht, sie kann nur, etwa wie gewisse Theorien über den psychophysischen Parallelismus, als Hilfshypothese für manche Tatsachen angeführt, durch ganz ungewisse Analogieschlüsse gestützt werden und ist nicht in der gleichen Weise erkenntnistheoretisch ausweisbar wie die bisher betrachteten Lehren der Psychoanalyse – womit übrigens ihr Wert keineswegs geleugnet sein soll. Wenn Freud, im Gegensatz zum derzeit und zum dauernd Unbewußten, diese Tatsachen einem »unbewußten Geistesleben« des Träumers zuweist, das ihm stets und notwendig verschlossen ist, so sind wir nicht in der Lage, irgendwelche Erkenntnisse über dies Geistesleben als schlechthin verbindlich anzuerkennen, und zwar aus prinzipiellen erkenntniskritischen Gründen nicht: weil nach unserer Auffassung der Rechtsausweis der Begriffsbildungen, unter die wir die Tatbestände des Unbewußten bringen, allemal und ausschließlich dem Bewußtsein gebührt und zwar dem Bewußtsein des empirischen Ich, dem die unbewußten Tatsachen zugehören. Aber auch die Bestimmungen, die Freud dem Unbewußten im Rahmen der Bewußtseinsimmanenz zukommen läßt, können wir nicht toto genere akzeptieren. Wenn Freud von ›unbewußten seelischen Akten‹, nämlich den latenten Traumgedanken, redet (Vorl., 184), so haben wir zumindest die Terminologie zu beanstanden, denn mit Akten können doch wohl nur
gegenwärtige
Erlebnisse gemeint sein, die ja immer bewußt sind. An anderer Stelle bestätigt Freud dafür ausdrücklich die notwendige Bezogenheit der unbewußten Tatbestände auf bewußte: Die »bösen Wunschregungen«, die an der Traumbildung so hervorragend beteiligt sind, »stammen aus der Vergangenheit, oft aus einer Vergangenheit, die nicht allzuweit zurückliegt. Es läßt sich zeigen, daß sie einmal bekannt und bewußt waren, wenn sie es auch heute nicht mehr sind.« (Vorl., 204f.) Damit ist wiederum das
Weitere Kostenlose Bücher