Gesammelte Werke
dürfen.
Wir suchen zunächst noch einmal zu umgrenzen, was wir unter Philosophien des Unbewußten verstehen. Es heißen uns so, nach unseren einleitenden Betrachtungen, zunächst alle Lehren, deren Gegenstand psychisch ist, die aber Unabhängigkeit ihrer Aussagen von Bewußtsein behaupten – Bewußtsein hier in der äußersten Weite des Begriffs verstanden. Dann charakterisieren sich uns die Philosophien des Unbewußten dadurch, daß sie mit dem Anspruch auftreten, eine besondere, ihren unbewußten Gegenständen angemessene Erkenntnisweise zu besitzen, durch die sie sich jener Gegenstände zuverlässig versichern können. Weiter sind uns die Philosophien des Unbewußten dadurch bezeichnet, daß in ihnen allen die prinzipielle ausweisende Bedeutung von Transzendentalbedingungen geleugnet, daß die Transzendentalfaktoren geradezu bestritten werden. Endlich sind uns die Philosophien des Unbewußten solche, die nicht gelegentlich, zur Ergänzung oder Begrenzung ihrer Hauptsätze, einen Begriff des Unbewußten einführen, sondern in deren Zentrum eben der Begriff des Unbewußten steht und deren gesamter Zusammenhang von jenem Begriff bestimmt ist. Der Begriff des Unbewußten selbst ist in der Allgemeinheit, in der es unsere kritische Betrachtung hier mit ihm zu tun hat, nicht positiv bestimmt, sondern allein durch die Negation von Bewußtsein; und er ist darum notwendig eben so vag wie der Begriff des Bewußtseins selber. Wir werden damit bereits darauf hingewiesen, daß eine präzise Fassung des Begriffs des Unbewußten, eine nähere Bestimmung dessen, was unter Bewußtsein verstanden wird, zur Voraussetzung hat. Für die immanente Kritik der Lehren vom Unbewußten ist eine solche präzise Fassung des Begriffs des Bewußtseins noch nicht notwendig; ja nicht einmal angezeigt, da unsere Kritik ja in solcher Allgemeinheit geführt werden soll, daß eine jede Philosophie, die in die abgesteckten Grenzen fällt, von ihr betroffen wird; während bei einer prägnanten Fassung des Begriffs von Bewußtsein alle die Philosophien des Unbewußten ausgeschlossen blieben, die diesem Begriff nicht genügen. Wir begnügen uns darum mit einem Begriff des Bewußtseins von einiger Unbestimmtheit und wollen unter Philosophien des Unbewußten alles verstanden wissen, was den hier gegebenen Bestimmungen gemäß ist.
Unser Ziel ist: den Rechtsanspruch der Philosophien des Unbewußten gegenüber der Transzendentalphilosophie zu treffen. Damit also die transzendentale Methode gesichert werde gegen jene Theorien, darf sie bei deren Behandlung nicht selbst vorausgesetzt werden. Wohl aber ist es statthaft, wenn wir die allgemeine Begründung der Unstimmigkeiten, auf die wir stoßen, im Sinne des transzendentalen Idealismus vollziehen, dann jedenfalls, wenn es uns gelingt, aufzuweisen, daß, ob auch gegen ihren Willen, die Philosophien des Unbewußten in sich selbst zur Aufnahme von Elementen genötigt sind, die dem Zusammenhang des transzendentalen Idealismus zugehören. Wir verfahren dabei nach dem Vorgang Kants, der die Antinomien ja auch zunächst aus ihren eigenen Voraussetzungen heraus exponiert und ihre Erklärung und Auflösung mit den Mitteln der transzendentalen Methode durchführt. Wenn wir in unserer Kritik der Lehren vom Unbewußten uns bewußt, auch in der Art der methodischen Entwicklung, an Kants Antinomienlehre anschließen, so braucht das nach allem, was wir über den transzendentalen Charakter der Lehren vom Unbewußten ausführen, gewiß nicht wunderzunehmen. Unsere Methode steht nach dem Vorangegangenen unter zwei leitenden Gesichtspunkten: einmal trachtet sie, die logische Unstimmigkeit der Lehren vom Unbewußten in sich aufzuweisen, die Widersprüche aufzudecken, in die sich das Denken in den Philosophien des Unbewußten notwendig verwickelt; dann will sie die transzendentalen Bedingungen der Lehren vom Unbewußten, die jene zu negieren meinen, herausstellen. Der Zusammenhang zwischen der Tatsache der Abhängigkeit von Transzendentalbedingungen in den Lehren vom Unbewußten und der immanenten Problematik jener Lehren, die gegen die transzendentale Begründung von Erkenntnis polemisch gewandt sind, erhellt deutlich aus den Ausführungen über die innerkantischen Ansatzpunkte der Lehren vom Unbewußten. Wenn der immanenten Analyse sich bestätigt, was dort unter dem Gesichtspunkt des Kantischen Systems formuliert worden war: wenn tatsächlich die Lehren vom Unbewußten zu Antinomien führen, die gleichen Ursprunges wie die
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