Gesammelte Werke
und schlechtweg Unterschiedenen hinfällig. Daß ein Begriff des Unbewußten, der einem spezifischen Unterbegriff von Bewußtsein kontrastiert, aber dem allgemeinen Begriff des Bewußtseins unterstellt ist, nicht als transzendenter Grund von Bewußtsein angesprochen werden darf, versteht sich. Es hat sich das selbstverständlich auch in der Terminologie auszudrücken; der Begriff des Bewußtseins ist so zu differenzieren, daß er von dem spezifischen Unterbegriff klar unterschieden werden kann, auf den die Rede von Unbewußtheit bezogen ist. Sobald dafür gesorgt ist, fällt die wesentliche Ursache der metaphysischen Hypostasis des Begriffs des Unbewußten fort, und es ist Raum für eine Bewußtseinsanalyse als Methode der Begründung der Lehre vom Unbewußten.
Noch freilich sind wir nicht soweit, jene Analyse selbst in Angriff zu nehmen. Die Aufgabe unserer immanenten Kritik ist noch keineswegs gelöst. Einmal bleibt ja zu erörtern die Lehre von der absoluten Transzendenz des Unbewußten, die sich uns als die eine Möglichkeit derjenigen Auffassungen vom Unbewußten ergeben hatte, für die Unbewußtsein dem Bewußtsein nicht unterstellt ist. Dann aber hat sich unsere kritische Diskussion, sobald sie sich anschickt, auf Bewußtsein zu rekurrieren, auseinanderzusetzen mit dem kardinalen Einwand aller Unbewußtheitsphilosophien wider die Kantische Bewußtseinsphilosophie, der das Kernproblem der Auseinandersetzung zwischen transzendentaler Methode und Philosophie des Unbewußten bezeichnet. Wir gelangen zur Entscheidung in jenem Streit durch den Aufweis, daß auch die Lehren vom Unbewußten nicht unabhängig sind von den Bedingungen, die von der Transzendentalphilosophie als die konstitutiven angesprochen werden und deren absolute Gültigkeit von den Philosophien des Unbewußten in Frage gestellt ist. Insoweit es sich uns ergeben hat, daß die von der Philosophie des Unbewußten prätendierte Unabhängigkeit ihrer Befunde vom Bewußtsein Trug ist, ist der enge Zusammenhang zwischen unserer immanenten Kritik der Lehren vom Unbewußten und dem Aufweis ihrer Rückbezogenheit auf Transzendentalbedingungen bereits zu verstehen. Er muß aber voll explizit werden. Was zunächst die Frage der absoluten Transzendenz des Unbewußten anlangt, so ist ihrer kritischen Erörterung die generelle Frage voranzustellen: woher eigentlich, wenn es sich um ein dem Bewußtsein schlechthin Entgegengesetztes und von Bewußtsein absolut Unabhängiges handelt, uns überhaupt ein Wissen von jenen unbewußten Tatbeständen kommt. Offenbar führt zur Bildung des Begriffs des Unbewußten ja die
Erfahrung
gewisser unbewußter Tatbestände, die, um erfahren zu werden, in einer, wie immer auch gearteten, Beziehung zum Zusammenhang des Bewußtseins stehen müssen. Erst der Drang, jene Erfahrungen über das Bewußtsein zu erhöhen und in ihnen die Bestände der alten Metaphysik zu retten, läßt dann eine prinzipielle Trennungslinie zwischen den unbewußten Tatbeständen und der Erfahrung ziehen. Da aber gleichwohl von Unbewußtsein nur dann die Rede sein kann, wenn es in irgendeiner Weise zum Bewußtsein gebracht werden kann, so sieht eine Forschung, die sich scheut, auf unmittelbare Zusammenhänge zwischen Unbewußtsein und Bewußtsein hinzudeuten, sich genötigt, einen Begriff einzuführen, der zwischen dem Unbewußten und dem Bewußtsein vermitteln soll. Dieser Begriff muß aber notwendig der Begriff einer besonderen Weise der Erkenntnis von Unbewußtem sein. Denn allein eine Erkenntnisweise, die weder Bewußtsein ist – dann hätte sie ja nach der radikalen Auffassung vom Unbewußten mit jenem nichts zu schaffen – noch selbst prinzipiell unbewußt ist – denn dann gälte ja für sie das gleiche wie für den transzendenten Begriff des Unbewußten: sie wäre dem Bewußtsein unzugänglich und nicht einmal von dem Unbewußten, das sie zum Gegenstand hat, unterscheidbar –, nur eine solche Erkenntnisweise vermöchte für die Philosophien des Unbewußten deren Zentralbegriff zu konstituieren. Eine Behandlung der Problematik des schlechthin transzendenten Unbewußten setzt also die Behandlung der Erkenntnis jenes Unbewußten voraus.
Wir stoßen damit auf das Problem der
Intuition.
Gewiß erschöpft sich der Intuitionsbegriff keineswegs in der Beziehung zum Begriff des Unbewußten. Nicht minder als durch das Problem der Erkenntnis von Unbewußtem ist die Auffassung von einer intuitiven Erkenntnismöglichkeit durch den Streit um die
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