Gesammelte Werke
Phänomenologie, der den »Zusammenhang des unmittelbar Gegebenen als letzte Voraussetzung der transzendentalen Methode« auffaßt. Dieser Begriff der transzendentalen Phänomenologie ist von Hans Cornelius – bereits in ausgesprochenem Gegensatz zu Husserl – in der »Transcendentalen Systematik« expliziert worden. An die »Transcendentale Systematik« und ihre Terminologie knüpfen wir an und sehen unsere Aufgabe recht eigentlich darin, den Gegensatz zwischen den dort vorgetragenen Erkenntnissen und Husserls »Ideen« – soweit es sich um die Theorie des Dinges an sich handelt – deutlich zu machen. Auch wo nicht ausdrücklich zitiert ist, besteht zwischen unserer Untersuchung und der »Transcendentalen Systematik« ein ohne weiteres ersichtlicher Zusammenhang.
Die Einseitigkeit und Begrenztheit unserer Problemstellung bringt es mit sich, daß auf Husserls Begriff der »Wesensschau«, der vielen als der Zentralbegriff der Phänomenologie gilt, und damit auf den ganzen Streit um die
Abstraktions
theorie nicht eingegangen wird, selbst wo Husserls Dingtheorie mit dem Begriff der »Wesensschau« verquickt ist. Nur wo es sich darum handelt, zu zeigen, daß die psychologischen Bedingungen der Abstraktion
sinnausweisende
Bedeutung für den Dingbegriff haben, wie etwa beim Begriff der Identität des Dinges, mußten in Kürze abstraktionstheoretische Erwägungen in den Gang der Hauptbetrachtung hineingezogen werden.
Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hans Cornelius sei auch an dieser Stelle für seine freundliche Förderung aufrichtig gedankt.
B. Die Transzendenz des Dinglichen und Noematischen in Husserls Phänomenologie
I. Husserls Dingtheorie
Husserl geht aus von dem »natürlichen Weltbild«: »Ich bin mir« der Welt »bewußt, das sagt vor allem: ich finde sie unmittelbar anschaulich vor, ich erfahre sie. Durch Sehen, Tasten, Hören usw., in den verschiedenen Weisen sinnlicher Wahrnehmung sind körperliche Dinge ...
für mich einfach da,
im wörtlichen oder bildlichen Sinne
›vorhanden‹,
ob ich auf sie besonders achtsam und mit ihnen betrachtend, denkend, fühlend, wollend beschäftigt bin oder nicht.« 35 Als eine Welt von
Dingen
also ist die »natürliche Welt« charakterisiert, als bleibendes Sein: »Die ›Wirklichkeit‹ ... finde ich als
daseiende
vor und
nehme sie, wie sie sich gibt, auch als daseiende
hin. Alle Bezweiflung und Verwerfung von Gegebenheiten der natürlichen Welt ändert nichts an der
Generalthesis der natürlichen Einstellung.
›Die‹ Welt ist als Wirklichkeit immer da, sie ist höchstens hier oder dort ›anders‹ als ich vermeinte, das oder jenes ist
aus ihr ...
herauszustreichen, aus ihr, die ... immer daseiende Welt ist.« 36 In erkenntnistheoretischer Absicht nun wird diese Einstellung radikal geändert:
»Die
zum Wesen der natürlichen Einstellung gehörige Generalthesis setzen wir außer Aktion,
alles und jedes, was sie ... umspannt, setzen wir in Klammern:
also diese ganze natürliche Welt,
die beständig ›für uns da‹, ›vorhanden‹ ist, und die immerfort dableiben wird als bewußtseinsmäßige ›Wirklichkeit‹, wenn es uns auch beliebt, sie einzuklammern.« 37 Dies Verfahren der »Einklammerung« heißt bei Husserl »phänomenologische epoxh« 38 .
Was bleibt nun – fragt Husserl – nach radikalem Vollzuge der epoxh übrig? Sie soll
»eine neue, in ihrer Eigenart bisher nicht abgegrenzte Seinsregion«
38a gewinnen: das »reine« – von Transzendenzen reine – Bewußtsein. Bewußtsein nennt Husserl alles Cartesianische cogito: also auch jedes »ich nehme wahr«; »zum Wesen jedes aktuellen cogito« gehöre es, »Bewußtsein
von
etwas zu sein« 39 . Den Begriff der Aktualität bestimmt Husserl durch Analyse einer Dingwahrnehmung. Wenn ich ein weißes Papier, das vor mir im Halbdunkel liegt, sehe und betaste, so ist nach Husserl »dieses wahrnehmende Sehen und Betasten des Papieres, als das volle konkrete Erlebnis
von
dem hier liegenden Papier, und zwar von dem genau in diesen Qualitäten gegebenen, ... eine cogitatio, ein Bewußtseinserlebnis« 40 ; »das Papier selbst« aber »mit seinen objektiven Beschaffenheiten, ... nicht cogitatio, sondern cogitatum, nicht Wahrnehmungserlebnis, sondern Wahrgenommenes« 41 . Es könne, fährt Husserl in wenig einwandfreier, mehrdeutiger Ausdrucksweise fort, »Wahrgenommenes selbst sehr wohl Bewußtseinserlebnis sein, aber es« sei »evident, daß so etwas wie ein materielles Ding, z.B. dieses im
Weitere Kostenlose Bücher