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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Beispielanalyse faßt Husserl zusammen in der These:
»In Wesensnotwendigkeit gehört zu einem ›allseitigen‹, kontinuierlich einheitlich sich in sich selbst bestätigenden Erfahrungsbewußtsein vom selben Ding ein vielfältiges System von kontinuierlichen Erscheinungs- und Abschattungsmannigfaltigkeiten, in denen alle in die Wahrnehmung mit dem Charakter der leibhaften Selbstgegebenheit fallenden gegenständlichen Momente sich in bestimmten Kontinuitäten darstellen bzw. abschatten.«
60 Und weiter: »Während das Ding die intentionale Einheit ist, das identisch-einheitlich Bewußte im kontinuierlich geregelten Abfluß der ineinander übergehenden Wahrnehmungsmannigfaltigkeiten, haben diese selbst immerfort ihren
bestimmten deskriptiven Bestand,
der
wesensmäßig
zugeordnet ist jener Einheit.« 61 »Empfindungsdaten, die die Funktion der Farbenabschattung ... usw. üben«, seien »prinzipiell unterschieden von Farbe schlechthin ..., kurzum von allen Arten
dinglicher
Momente.
Die Abschattung, obschon gleich benannt«,
sei
»prinzipiell nicht von derselben Gattung wie Abgeschattetes.«
62
    »Aus den durchgeführten Überlegungen«, schließt Husserl, »ergab sich die Transzendenz des Dinges gegenüber seiner Wahrnehmung und in weiterer Folge gegenüber jedem auf dasselbe bezüglichen Bewußtsein überhaupt.« 63 Damit trete hervor »ein grundwesentlicher Unterschied ... zwischen
Sein als Erlebnis
und
Sein als Ding«
64 . Alle Dinge seien »prinzipielle Transzendenzen« 65 . »Zum Dinge als solchem ... gehört wesensmäßig und ganz ›prinzipiell‹ die Unfähigkeit, immanent wahrnehmbar und somit überhaupt im Erlebniszusammenhang vorfindlich zu sein. So heißt das Ding selbst und schlechthin transzendent. Darin bekundet sich eben die prinzipielle Unterschiedenheit der Seinsweisen, die kardinalste, die es überhaupt gibt, die zwischen
Bewußtsein
und
Realität.
« 66
    Husserl sucht seine Auffassung von der Transzendenz des Dinglichen abzugrenzen vom metaphysischen Ding-an-sich-Begriff. Es sei »ein prinzipieller Irrtum zu meinen, es komme die Wahrnehmung ... an das Ding selbst nicht heran« 67 , zu meinen, es sei das Ding an sich »in seinem An-sich-sein uns nicht gegeben«, während doch »zu jedem Seienden die prinzipielle Möglichkeit gehöre, es, als was es ist, schlicht anzuschauen und speziell es wahrzunehmen in einer adäquaten, das leibhaftige Selbst
ohne jede Vermittlung durch ›Erscheinungen‹
gebenden Wahrnehmung« 68 . Der Widersinn dieser Ansicht liege darin, daß sie in dem Glauben, es könne etwa für die postulierte göttliche Anschauung das Ding selbst Erlebnis sein, den Wesensunterschied zwischen Transzendentem und Immanentem vergesse. Möglich sei jene Theorie nur durch Supposition eines Bild- oder Zeichen-Bewußtseins, während doch »das Raumding, das wir sehen, ... bei all seiner Transzendenz Wahrgenommenes, in seiner
Leibhaftigkeit
bewußtseinsmäßig Gegebenes, ...
nicht
statt seiner ein Bild oder Zeichen gegeben« 69 sei. »Die Dingwahrnehmung« vergegenwärtige »nicht ein Nichtgegenwärtiges, als wäre sie eine Erinnerung oder Phantasie; sie gegenwärtigt, sie erfaßt ein Selbst in seiner leibhaftigen Gegenwart« 70 .
    Das Verhältnis von Abgeschattetem und Abschattung bedingt nach Husserl eine gewisse
Inadäquatheit
der Dingwahrnehmung. »Ein ›Ding‹« sei »notwendig in bloßen
›Erscheinungsweisen‹
gegeben, notwendig« sei »dabei ein
Kern von ›wirklich Dargestelltem‹
auffassungsmäßig umgeben von einem
Horizont uneigentlicher ›Mitgegebenheit‹
und mehr oder minder vager
Unbestimmtheit«
71 .
»In dieser Weise in infinitum unvollkommen zu sein, gehört zum unaufhebbaren Wesen der Korrelation Ding und Dingwahrnehmung.«
72 Während es im »Wesen der Gegebenheit durch Erscheinungen« beschlossen sein soll, »daß keine die Sache als ›Absolutes‹ gibt«, liege es im »Wesen der immanenten Gegebenheit, eben ein Absolutes zu geben, das sich gar nicht in Seiten darstellen und abschatten« 73 könne. Mit der Unmöglichkeit, daß eine »noch so vollkommene« Dingwahrnehmung »ein Absolutes gibt«, hänge »wesentlich zusammen, daß jede noch so weitreichende Erfahrung die Möglichkeit offen läßt, daß das Gegebene, trotz des beständigen Bewußtseins von seiner leibhaftigen Selbstgegenwart,
nicht
existiert« 74 . Das glaubt Husserl allgemein aussprechen zu dürfen in der Form:
»Dingliche Existenz ist nie eine durch die Gegebenheit als notwendig geforderte,
sondern in

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