Gesammelte Werke
kleinen Scheiben und viel Holzverschalung. Auf dem Dach sind eine Unmenge Ziegel mit langem, gebogenem Henkel. Alles Fachwerk ist sehr dunkel und hat viele Schnitzereien aufzuweisen; das Muster aber ist fast immer das gleiche. Seit Menschengedenken nämlich haben die Schnitzer von Vondervotteimittis nie mehr als zwei Bilder schnitzen können: eine Uhr und einen Kohlkopf. Diese beiden aber können sie prächtig wiedergeben und bringen sie überall an, wo der Raum es erlaubt.
Die Wohnungen gleichen einander innen wie außen, und die Einrichtung ist überall die gleiche. Der Bodenbelag besteht aus viereckigen Kacheln, Tische und Stühle sind aus schwärzlichem Holz mit dünnen, krummen Beinen und zierlichen Füßen. Die Kaminsimse sind breit und hoch und weisen nicht nur gemeißelte Uhren und Kohlköpfe auf, sondern eine richtige Standuhr, die oben auf der Mitte des Simses steht und gewaltig tickt, und ferner einen Blumentopf mit einem Kohlkopf auf jeder Ecke des Simses. Zwischen jedem Kohlkopf und der Uhr wiederum befindet sich ein kleiner Chinese mit einem großen und dicken Bauch, der aber aus einem riesigen runden Loch besteht, aus dem das Zifferblatt einer Uhr hervorschaut.
Die Feuerstellen sind breit und tief und werden von boshaft blickenden Stein-Hunden getragen. Sie hüten stets ein loderndes Feuer und darüber einen riesigen Kessel voll Sauerkraut und Schweinefleisch, das die brave Hausfrau eifrig bewacht. Es ist eine kleine, dicke, alte Dame mit blauen Augen und rotem Gesicht; sie trägt eine Haube, so groß wie ein Zuckerhut, die mit roten und gelben Schleifen geziert ist. Ihr Kleid ist aus orangefarbener Halbwolle, hinten sehr voll und in der Taille sehr kurz gearbeitet – und auch in anderer Hinsicht sehr kurz, da es kaum bis zur Mitte des Beines reicht. Das Bein ist ziemlich dick, auch die Fesseln sind dick, aber sie trägt ein Paar schöne grüne Strümpfe darüber. Ihre Schuhe – aus rosarotem Leder – sind mit breiten, gelben Bändern geschlossen, die eine Rosette in Form eines Kohlkopfes bilden. In ihrer Linken hält sie eine kleine, schwere holländische Taschenuhr; in ihrer Rechten schwingt sie einen Löffel für das Sauerkraut und Schweinefleisch. An ihrer Seite sitzt eine fette, gefleckte Katze, an deren Schwanzende »die Jungens« aus »Spaß« eine goldschimmernde Spielzeuguhr angebunden haben.
Die Jungens selber sind alle drei im Garten und hüten das Schwein. Sie sind jeder zwei Fuß hoch. Sie tragen dreieckige Stulphüte, purpurrote Westen, die bis auf die Schenkel reichen, hirschlederne Kniehosen, rotwollene Strümpfe, schwere Schuhe mit großen Silberschnallen und lange Überröcke mit mächtigen Perlmutterknöpfen. Jeder hat ferner eine Pfeife im Mund und eine kleine, dicke Uhr in der rechten Hand. Er tut einen Zug und einen Blick und einen Blick und einen Zug. Das Schwein ist dick und faul und abwechselnd damit beschäftigt, die von den Kohlköpfen abgefallenen Blätter zu fressen und mit dem Hinterfuß nach der goldschimmernden Uhr zu stoßen, welche die Bengels auch ihm an den Schwanz gebunden haben, damit es ebenso hübsch aussehe wie die Katze.
Dicht an der Haustür, in einem hochlehnigen, lederbezogenen Armstuhl mit krummen Beinen und zierlichen Füßen, gleich denen der Tische, sitzt der alte Hausherr selber. Er ist ein sehr aufgeblasener alter Herr mit großen runden Augen und einem Doppelkinn. Sein Anzug gleicht dem der Knaben, und ich brauche nichts weiter darüber zu sagen. Der ganze Unterschied ist, dass seine Pfeife etwas größer ist als ihre und er mehr Rauch ausstoßen kann. Gleich ihnen hat er eine Uhr, aber er trägt sie in der Tasche. Die Wahrheit zu gestehen: Er hat auf Wichtigeres als auf seine Taschenuhr zu achten, und was das ist, will ich gleich berichten. Er sitzt mit übergeschlagenen Beinen, macht ein ernstes Gesicht und hat wenigstens das eine seiner Augen unentwegt auf einen gewissen bemerkenswerten Gegenstand im Mittelpunkt des Tals gerichtet.
Dieser Gegenstand befindet sich im Turm des Rathauses. Die Stadträte sind alle sehr kleine, rundliche, ölige, kluge Männer mit großen Glotzaugen und Doppelkinn und tragen viel längere Überröcke und viel größere Schuhschnallen als die gewöhnlichen Einwohner von Vondervotteimittis. Seit meinem Aufenthalt in dem Burgflecken hatten sie einige geheime Sitzungen, in denen sie folgende drei bedeutsame Resolutionen angenommen haben:
»dass es falsch ist, den guten alten Lauf der Dinge zu ändern«,
»dass es
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