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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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außerhalb von Vondervotteimittis nichts Angenehmes gibt« und
    »dass wir bei unseren Uhren und unseren Kohlköpfen sitzen bleiben wollen.«
    Über dem Sitzungssaal des Rathauses ist der Turm, und in dem Turm ist der Glockenstuhl, in dem sich seit unvordenklichen Zeiten der Stolz und das Wunder des Ortes befindet: die große Turmuhr des Burgfleckens Vondervotteimittis. Und das ist gerade der Gegenstand, auf den die Augen der alten Herren gerichtet sind, die in den lederbezogenen Armstühlen sitzen.
    Die große Turmuhr hat sieben Zifferblätter – eins auf jeder der sieben Seiten des Turms – so dass es von jedem Stadtteil gesehen werden kann. Diese Zifferblätter sind groß und weiß, und ihre Zeiger schwer und schwarz. Da ist ein Turmwächter, dessen einziges Amt es ist, die Uhr zu bedienen; dieses Amt aber ist die angenehmste aller Sinekuren – denn bisher war an der Turmuhr von Vondervotteimittis noch nie etwas in Unordnung gewesen. Bis vor Kurzem hätte fast schon diese Vermutung für ketzerisch gegolten. Seit den entlegensten Zeiten, deren die Archive Erwähnung tun, hat die große Glocke die Stunden ordnungsmäßig geschlagen. Und dasselbe war der Fall mit allen den anderen großen und kleinen Uhren im Städtchen. Nie wieder gab es einen so pünktlichen Ort. Wenn der große Klöppel es für angebracht hielt, »zwölf Uhr!« zu sagen, so gingen alle seine gehorsamen Nachfolger gleichzeitig ans Werk und gaben den Ruf wie ein richtiges Echo zurück. Kurz: Die guten Bürger liebten ihr Sauerkraut, auf ihre Uhren aber waren sie stolz.
    Alle Leute, die ein Amt haben, werden mehr oder weniger respektiert, und da der Turmwächter von Vondervotteimittis die beste aller Sinekuren hat, ist er der bestangesehene Mann von der Welt. Er ist der Hauptwürdenträger des Burgfleckens, und sogar die Schweine blicken mit einer Art Ehrfurcht zu ihm auf. Sein Rockschoß ist viel länger – seine Pfeife, seine Schuhschnallen, seine Augen und sein Magen sind viel größer als jene der anderen alten Herren im Ort; und was sein Kinn anlangt, so ist es nicht nur doppelt, sondern dreifach.
    So habe ich also die glückliche Zeit von Vondervotteimittis gemalt – ach, dass ein so schönes Bild auch seine Kehrseite haben muss!
    Es war lange die Rede unter den weisesten Bürgern gewesen, dass »von jenseits der Höhen nichts Gutes kommen kann«; und es schien wirklich, als hätten die Worte prophetischen Geist in sich. Es war vorgestern, und es fehlten noch fünf Minuten bis zwölf, als auf dem östlichen Höhengipfel ein merkwürdiger Gegenstand auftauchte. Solch ein Ereignis erregte natürlich allgemeine Aufmerksamkeit, und jeder kleine alte Herr im lederbezogenen Armstuhl wandte eins seiner Augen missbilligend auf die Erscheinung, während er das andere immer noch auf die Turmuhr gerichtet hatte.
    Als nur noch drei Minuten an zwölf fehlten, erkannte man den fraglichen seltsamen Gegenstand als einen winzigen, fremdländisch aussehenden jungen Mann. Er kam den Hügel in großer Hast herunter, so dass jedermann ihn bald gut sehen konnte. Er war tatsächlich das winzigste Persönchen, das je in Vondervotteimittis gesehen worden war. Sein Antlitz war tabakbraun, und er hatte eine lange, krumme Nase, kleinrunde Augen, einen großen Mund und ein prächtiges Gebiss, welches er gern zu zeigen schien, denn er grinste von einem Ohr zum anderen. Vor lauter Schnurr- und Backenbart konnte man von seinem Gesicht nichts weiter sehen. Sein Kopf war unbedeckt, und sein Haar sorgfältig in Papilloten aufgewickelt. Sein Anzug bestand aus einem enganliegenden schwalbenschwänzigen schwarzen Rock (aus dessen einer Tasche ein sehr langer, weißer Taschentuchzipfel heraushing), schwarzen Kaschmir-Kniehosen, schwarzen Strümpfen und klobigen Schuhen mit riesigen Schleifen aus schwarzem Atlasband. Unter dem einen Arm trug er einen mächtigen Hut und unter dem anderen eine Geige, fast fünfmal so groß wie er selbst. In seiner linken Hand hielt er eine goldene Schnupftabaksdose, aus der er, der mit phantastischem Hoppschritt den Hügel herunterstolperte, unablässig mit höchst selbstzufriedener Miene schnupfte. Guter Gott! war das ein Anblick für die ehrenwerten Bürger von Vondervotteimittis!
    Offen gesagt, der Kerl hatte ungeachtet seines freundlichen Grinsens ein verwegenes und bösartiges Gesicht; und wie er da geradewegs mitten ins Dorf hereinkurbettierte, erregte die seltsam klobige Form seiner Schuhe beinahe Verdacht; und manch einer der Bürger, der

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