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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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die bestimmte Aussage der Frau Deluc? Eine Bande übler Subjekte erschien bei ihr, benahm sich frech, aß und trank, ohne zu zahlen, ging in der Richtung davon, die vorher das Pärchen eingeschlagen, kam
zur Dämmerzeit
zurück und setzte in großer Eile über den Fluss.
    Nun erschien dieser Rückzug Frau Deluc sicher
eiliger
, als er in Wirklichkeit war, eilig, weil sie noch immer auf Bezahlung gehofft hatte. Nie hätte sie sonst etwas an der Eile der Leute finden können, da es doch
zur Dämmerzeit
war? Es ist doch wahrlich nichts Verwunderliches, dass selbst Herumtreiber Eile haben, heimzukommen, wenn ein breiter Fluss in kleinen Booten überquert werden muss, wenn ein Sturm heraufzieht und wenn die Nacht naht.
    Ich sage
naht
; denn
noch
war sie
nicht
da. Es war erst
Dämmerzeit
, als die unhöfliche Eile der ›Bösewichter‹ die gute Frau Deluc beleidigte. Aber uns wurde gesagt, dass Frau Deluc und ihr ältester Sohn an
demselben
Abend ›in der Nähe des Gasthofs eine Frauenstimme schreien hörten‹. Und mit welchen Worten bezeichnet Frau Deluc die Abendzeit, zu der diese Schreie vernommen worden? Es war ›
bald nach Dunkelwerden
‹, sagte sie. Aber
bald nach Dunkelwerden
ist zum mindesten dunkel und ›
zur Dämmerzeit
‹ ist bestimmt noch bei Tageslicht. Es ist also vollkommen klar, dass die Bande die Barrière du Roule verlassen hatte,
ehe
Frau Deluc jene Schreie vernahm. Und obgleich bei den zahlreichen Wiedergaben der Zeugenberichte die von den Zeugen gebrauchten Ausdrücke deutlich und unverändert angewendet wurden, genau wie ich sie in diesem Gespräch mit Ihnen angewendet habe, ist doch weder von den öffentlichen Blättern noch von der Polizei der Unterschied in den beiden Ausdrücken der Zeugin festgestellt worden.
    Ich will den
gegen
eine größere Bande angeführten Gründen nur noch einen hinzufügen, dieser
eine
aber fällt, wenigstens für meine Begriffe, entscheidend ins Gewicht. Unter den vorliegenden Umständen einer ungeheuer großen Belohnung und völliger Straffreiheit kann keinen Moment angenommen werden, dass ein Mitglied einer
Bande
gemeiner Strolche oder irgendwelcher Kerle überhaupt seine Schuldgenossen nicht verraten haben sollte. Jeder einzelne solch einer Bande ist weniger auf die Belohnung oder die Straffreiheit versessen als ängstlich, verraten zu werden. Er verrät schnell und ohne Besinnen, damit er selbst nicht verraten werde. Dass das Geheimnis nicht aufgedeckt worden, ist der allerbeste Beweis dafür, dass es eben wirklich ein Geheimnis ist. Die Schrecken dieser dunklen Tat sind außer Gott nur
einem
oder zwei lebenden Wesen bekannt.
    Lassen Sie uns nun die mageren, doch einwandfreien Früchte unserer langen Analyse zusammenzählen. Wir sind dahin gekommen, entweder einen tödlichen Unfall unter dem Dach der Frau Deluc oder einen im Dickicht an der Barrière du Roule begangenen Mord anzunehmen – einen Mord, den ein Liebhaber oder wenigstens ein intimer und geheimer Freund der Verstorbenen begangen. Dieser Freund ist von dunkler Hautfarbe. Diese Farbe, der ›Henkel‹ am Tragband und der ›Seemanns-Knoten‹, mit dem die Hutbänder zusammengebunden waren, deuten auf einen Seemann. Sein Verhältnis zu der Verstorbenen, einem verwegenen, aber nicht verworfenen Mädchen, kennzeichnete ihn als über den gemeinen Matrosen stehend. Hierin bestärken uns die gut und überzeugend geschriebenen Mitteilungen, die den Zeitungen zugegangen sind. Der Umstand jener ersten Entführung legt den Gedanken nahe, diesen Seemann mit jenem vom ›Mercure‹ erwähnten ›Marine-Offizier‹, der damals das Mädchen zu unrechtem Tun verleitet, zu identifizieren.
    Und hierher passt nun sehr gut die auffallende Tatsache, dass jener Mann mit der dunklen Gesichtsfarbe bisher nicht wieder aufgetaucht ist. Ich möchte nochmals bemerken, dass er von dunkler Gesichtsfarbe ist – sie muss schon außergewöhnlich dunkel sein, da sie das
einzige
Merkmal bildet, das sowohl Valence als Frau Deluc für den Betreffenden anzugeben wissen. Aber warum ist dieser Mann abwesend? Wurde er von der Bande gemordet? Und wenn, wieso waren nur Spuren des
Mädchens
zu finden? Der Tatort für beide Morde muss natürlich als ein und derselbe angenommen werden. Und wo ist seine Leiche? Die Mörder hätten sich doch wahrscheinlich beider Leichen in gleicher Weise entledigt. Man könnte aber sagen, der Mann lebt und meldet sich nicht, aus Angst, dass ihm der Mord zur Last gelegt werde. Diese Betrachtung könnte ihm

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