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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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mich wissen.«
    Hiermit war auch der letzte Zweifel, den ich vielleicht noch an meines Freundes Verrücktheit gehabt haben mochte, endgültig abgetan. Während ich darüber nachsann, was da am besten zu tun sei, ertönte Jupiters Stimme von Neuem.
    »Ich haben Angst, auf dieses Ast sehr viel weit vorzugehen – sein fast ganz ein totes Ast.«
    »Sagtest du, es sei ein toter Ast, Jupiter?«, rief Legrand mit bebender Stimme.
    »Ja, Massa – sein tot wie ein Türnagel – ganz tot für ganzes Leben.«
    »Was in des Himmels Namen soll ich tun?«, fragte Legrand in höchster Verzweiflung.
    »Tun?«, sagte ich, erfreut über diese Gelegenheit zum Eingreifen. »Ja, heimgehen und sich ins Bett legen. Kommen Sie jetzt! Seien Sie gut! Es wird spät, und überdies denken Sie an Ihr Versprechen!«
    »Jupiter«, rief er, ohne mich im Geringsten zu beachten, »hörst du mich?«
    »Ja, ich hören Massa Will ganz deutlich.«
    »Dann prüfe also das Holz sorgfältig mit deinem Messer und sieh, ob du es für
sehr
morsch hältst.«
    »Holz morsch, ganz bestimmt«, erwiderte der Neger nach kurzer Pause, »aber nicht so sehr morsch, als eigentlich sein mussten. Ich können ein wenig allein auf das Ast hinausrutschen. Das sein möglich.«
    »
Allein?
– Was meinst du damit?«
    »Ho, ich meinen das Käfer. Sein sehr schweres Käfer. Wann ich lassen ihm grade hinunterfallen, dann werden das Ast mit Gewicht von bloß so ein Nigger nicht brechen.«
    »Du verfluchter Schurke!«, schrie Legrand erleichtert. »Was soll das heißen, dass du solche Dummheiten redest! Wenn du den Käfer fallen lässt, breche ich dir das Genick. Pass auf, Jupiter; hörst du mich?«
    »Ja, Massa. Nicht nötig haben, so viel auf armes Nigger zu schimpfen.«
    »Gut, also höre! – Wenn du dich auf dem Ast so weit, als du es für möglich hältst, hinauswagen willst, ohne den Käfer fallen zu lassen, so will ich dir, sowie du wieder herunterkommst, einen Silberdollar zum Geschenk machen.«
    »Ich wollen es tun, Massa – ja, ganz gewiss!«, antwortete der Neger schnell. – »Ich sein fast am Ende jetzt.«
    »
Am Ende?!
«, schrie Legrand heraus. »Willst du sagen, du seiest ganz am Ende des Astes?«
    »Bald ganz am Ende, Massa – o, o, o – ohal – Gott sein mir gnädig! – Was sein das hier auf das Baum?«
    »Nun«, rief Legrand hocherfreut, »was ist es?«
    »Ho – nichts als ein Schädel – einer haben sein Kopf gelassen auf Baum, und die Krähen haben abmachen jedes bisschen Fleisch.«
    »Ein Schädel, sagst du! – Gut, prächtig! Wie ist er am Ast befestigt? Womit wird er oben gehalten?«
    »Ich mussen nachsehen, Massa. – Ho, sein ganz seltsames Anfestigung – auf mein Wort! Da sein großes dickes Nagel durch Schädel, das ihm festmachen auf das Baum!«
    »Also, Jupiter, pass auf. Tu genau, was ich dir sage. – Hörst du?«
    »Ja, Massa.«
    »Aufgepasst! Suche das linke Auge von dem Schädel.«
    »Ho – sein gut das – kein Auge nicht da sein überhaupt nicht.«
    »Deine verwünschte Dummheit! – Kannst du deine rechte Hand von der linken unterscheiden?«
    »Ja, ich wissen das – wissen gut alles darüber – sein mein linkes Hand, mit das ich hacken Holz.«
    »Stimmt! Du bist linkshändig. Und dein linkes Auge ist auf derselben Seite wie deine linke Hand. Ich hoffe, du kannst nun das linke Auge des Schädels finden – oder vielmehr die Stelle, wo es gewesen ist. Hast du’s gefunden?«
    Lange Pause.
    Endlich fragte der Neger: »Sein linkes Auge von das Schädel auf selbes Seiten wie linkes Hand von das Schädel? Weil Schädel nichts ein bisschen haben von Hand. Aber tun nichts – ich haben jetzt finden linkes Auge! Was sollen ich tun damit?«
    »Lass den Käfer hindurchfallen, so weit als der Strick reicht. Aber sei vorsichtig und lass den Strick nicht aus der Hand.«
    »Alles das fertig, Massa Will. Sehr viel leichtes Ding, das Käfer stecken durch das Loch. Massa müssen ihm sehn von unten.«
    Während dieser Unterhaltung konnte man von Jupiters Gestalt nicht das Geringste sehen; aber der Käfer, den er herunterhängen ließ, wurde jetzt mit dem Ende der Schnur sichtbar und glitzerte in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne, die unseren hohen Standort noch trafen, wie eine glatte Goldkugel. Der Skarabäus hing frei zwischen dem Astwerk und würde, wenn man ihn fallen gelassen hätte, vor unseren Füßen niedergefallen sein.
    Legrand nahm sogleich die Sichel zur Hand und mähte genau unter dem Insekt einen Kreis von drei bis vier

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