Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)
Leben lang war er mit einem Steifen herumgelaufen, der nur ihr galt, und die andere Hälfte der Zeit hatte
er jeden Mann, der sie ansah, niederschlagen wollen. Er hatte Hannahs Geschmack noch im Mund und konnte fühlen, wie sich ihr Körper um seinen schlang. »Der Teufel soll sie holen, Sarah. Warum muss sie das tun?«
Sarah stand auf, trat ans Fenster und starrte gebannt aufs Meer hinaus. »Sie tut es, weil das ihr Job ist, und sie verdient eine Menge Geld damit, Jonas.« Sie murmelte die Worte geistesabwesend vor sich hin, denn ihre Konzentration galt dem Sturm, der draußen aufkam. Das Wetter und das aufgewühlte Meer schienen zu Jonas’ finsterer Stimmung zu passen.
Jonas warf einen schnellen Blick auf sie, bevor er wieder Hannah anstarrte. Sein Magen verkrampfte sich so sehr, dass ihm fast schlecht wurde. »Ich will, dass sie das bleiben lässt, verflucht noch mal.« Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Es ist mein Ernst, Sarah. Ich werde ein ernstes Wort mit ihr reden. Das ist ihre letzte Modenschau. Dann kann sie sich aus dem Geschäft zurückziehen.«
Mit diesen Worten hatte er Sarahs Aufmerksamkeit wieder auf sich gezogen. »Und wie stellst du dir das vor?«
»Ich werde es ihr sagen. Sie wird es verkraften. Schließlich musste ich mir diesen Mist jahrelang bieten lassen.«
»Du willst, dass sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Model zur Ruhe setzt? Ist dir bewusst, dass im Moment kein anderes Model so gefragt ist wie sie und dass eine Karriere als Model zeitlich sehr begrenzt ist?«
»Das ist mir vollkommen egal, und wenn du mich fragst, dauert ihre Karriere schon viel zu lange. Es macht ihr seit einer ganzen Weile keinen Spaß mehr, aber sie ist zu stur, um es zuzugeben. Vielleicht fürchtet sie sich auch davor, es zuzugeben. Sie könnte die Reaktionen fürchten. Um das Geld kann es ihr nicht gehen, sie hat genug Geld für zehn.«
»Was soll das heißen?«, fragte Sarah.
»Es ist ihr ein Gräuel, sich vor aller Welt auszuziehen. Sie hat es schon immer verabscheut. Sieh dir doch an, was sie ihr
angetan haben.« Er fuchtelte mit den Händen und wies auf den Bildschirm. »Sie will es allen recht machen. Mir ist es verhasst, dass sie ihren Körper öffentlich entblößt, aber weißt du was, Sarah? Hannah verabscheut es noch mehr als ich.«
»Das hast du dir eingeredet, um deine Haltung zu rechtfertigen. «
Jonas schüttelte den Kopf. »Ich fühle es jedes Mal, wenn ich sie auf dem Laufsteg oder auf dem Titelbild einer Zeitschrift sehe. Oder, was noch schlimmer ist, in einer Fernsehwerbung. Sie ist erfolgreich, aber sie hasst ihren Job abgrundtief.«
»Du kennst Hannah nicht«, bemerkte Sarah.
»Nein, du kennst sie nicht«, entgegnete Jonas. »Ihr bildet euch alle ein, ihr zu helfen, aber das tut ihr gar nicht, weil ihr sie nicht versteht.«
Sarah sah ihn finster an. »Du machst mich wirklich wütend, Jonas. Warum musst du ein solcher Idiot sein, wenn es um Hannah geht? Sie ist ein wunderbares Model, und das war sie schon immer.«
»Sie verabscheut es, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Sie ist nur deshalb Model geworden, weil ihr alle etwas mit eurem Leben angefangen habt, das sie für spektakulär hält. Deshalb glaubt sie, von ihr würde auch etwas Spektakuläres erwartet. Und erzähl mir bloß nicht, das sei nicht wahr, Sarah. Wie oft habe ich euch alle zu ihr sagen hören, als sie noch zur Schule gegangen ist, wie schön sie ist und dass sie Model werden sollte? In jedem einzelnen Gespräch über ihre Zukunft kam die Rede darauf. Und auch darauf, wie brillant sie ist und dass sie diese Sprachbegabung besitzt und ein halbes Dutzend Fremdsprachen flüssig spricht und deshalb natürlich reisen muss. Das ist doch ein absolutes Muss, wenn man brillant ist. Der Himmel möge die Drakes davor bewahren, dass eine von ihnen etwas ganz Normales tut, zum Beispiel zu Hause bleibt und Ehefrau wird.«
Sarah sah ihn scharf an. »Sie ist eine Schönheit. Und sie
eignet sich perfekt zum Model. Das gibt ihr die Gelegenheit zu reisen, und gleichzeitig hat sie jemanden, der auf sie aufpasst. Wir wissen beide, dass sie das braucht. Sie ist zu schüchtern, um allein etwas zu unternehmen.«
»Sie wollte nie verreisen, Sarah. Ihr alle habt sie dazu getrieben. « Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum, und seine Wut konnte sich an ihrer messen. »Ihr habt eine Barbie-Puppe aus ihr gemacht, die sich davor fürchtet, selbstständig zu denken.«
»Das ist Quatsch, Jonas. Hannah wollte
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