Geschäfte mit der Ewigkeit
bin nicht sicher, ob ich recht verstanden habe. Weshalb halten Sie die Jury für befangen?«
Sie ging um den Tisch herum, damit sie den Richter besser ansehen konnte.
»Aus dem einfachen Grund, daß die Hauptentlastung des Angeklagten ein mechanisches Versagen seines Werkzeugs ist«, sagte sie.
Der Richter nickte ernst. »Das stimmt. Aber wie leiten Sie davon die Befangenheit der Jury ab?«
»Euer Ehren«, sagte Ann Harrison, »die Jury ist auch eine mechanische Einrichtung.«
Der Anklagevertreter war wieder aufgesprungen.
»Euer Ehren!« rief er durchdringend. »Euer Ehren!«
Der Richter schlug mit dem Hammer auf den Tisch.
»Ich habe die Situation durchaus in der Hand«, erklärte er dem Anklagevertreter streng.
Die Zeitungsleute waren aufgescheucht. Sie machten Notizen und flüsterten miteinander. Die Fernsehlinsen schienen stärker zu glänzen.
Der Anklagevertreter setzte sich. Die Aufregung ließ nach. Im Saal entstand eine tödliche Stille.
»Miß Harrison«, fragte der Richter, »Sie zweifeln die Objektivität der Jury an?«
»Ja, Euer Ehren. Da es sich um Maschinen handelt, behaupte ich nicht, es sei ein bewußtes Vorurteil. Aber es ist immerhin ein unbewußtes Vorurteil.«
»Lächerlich«, fuhr der Anklagevertreter dazwischen.
Der Richter deutete mit dem Hammer auf ihn.
»Ich bitte um Ruhe«, sagte er.
»Aber es ist immerhin ein unbewußtes Vorurteil«, wiederholte Ann. »Weiterhin behaupte ich, daß jeder mechanischen Einrichtung ein Faktor fehlt, der für die Rechtsprechung wesentlich ist: der Sinn für Barmherzigkeit und den menschlichen Wert. Eine Maschine kennt das Gesetz, gewiß, so umfassend wie kein menschliches Wesen, aber ...«
»Miß Harrison«, sagte der Richter. »Wollen Sie das Gericht belehren?«
»Ich bitte Euer Ehren um Verzeihung.«
»Sie sind also fertig?«
»Ich glaube schon, Euer Ehren.«
»Also gut. Dem Einwand wird nicht stattgegeben. Haben Sie sonstige Einwände?«
»Nein, Euer Ehren.«
Sie ging um den Tisch herum, setzte sich aber nicht.
»In diesem Falle«, sagte der Richter, »besteht kein Grund, den Spruch noch länger hinauszuzögern. Es läge auch nicht in meiner Macht. Das Gesetz ist in Fällen wie diesen eindeutig. Der Angeklagte möge sich erheben.«
Langsam stand Chapman auf.
»Franklin Chapman«, erklärte der Richter, »dieses Gericht hat beschlossen, Ihnen auf Grund der Anklage und mangels mildernder Umstände das Recht abzuerkennen, im Falle Ihres Todes den Körper für ein neues Leben zu präparieren. Ihre staatsbürgerlichen Rechte werden sonst in keiner Weise beeinträchtigt.«
Er schlug mit dem Hammer auf den Tisch.
»Die Verhandlung ist hiermit geschlossen«, verkündete er.
2
Während der Nacht hatte jemand auf die schmutzig-rote Ziegelwand des Gebäudes auf der anderen Straßenseite einen Spruch gekritzelt. Es waren dicke, gelbe Kreidebuchstaben.
LASST SIE DOCH IN FRIEDEN RUHEN!
Daniel Frost steuerte seinen winzigen Zweisitzer auf einen Parkplatz außerhalb des Ewigkeits-Zentrums und stieg aus. Einen Augenblick blieb er stehen und starrte die Schrift an.
Man sah in der letzten Zeit überraschend viel von dem Zeug, hier und überall an die Wände gekritzelt. Sicher konnte ihm Marcus Appleton Bescheid sagen, wenn er ihn danach fragte, aber als Sicherheitschef des Ewigkeits-Zentrums war Appleton ein vielbeschäftigter Mann, und Frost hatte ihn in den letzten Wochen höchstens ein- oder zweimal gesehen. Doch wenn etwas Ungewöhnliches vorging, konnte man damit rechnen, daß Marcus darüber unterrichtet war.
Der Parkwächter tauchte auf und tippte grüßend an die Mütze.
»Guten Morgen, Mister Frost. Dichter Verkehr, was?«
Er hatte recht. Die Straßenspuren waren mit winzigen Wagen überfüllt. Stoßstange an Stoßstange fuhren sie. Ihre Kunststoffdächer glänzten in der Morgensonne, und von seinem Platz aus konnte Frost das schwache Surren der Elektromotoren hören.
»Der Verkehr ist immer dicht«, erklärte er. »Ah, da fällt mir etwas ein. Sehen Sie einmal das rechte Stoßstangenhorn nach. Ein anderer Wagen ist mir unangenehm nahe gekommen.«
»Vielleicht war das Stoßstangenhorn des anderen schuld«, meinte der Parkwächter. »Aber es kann nicht schaden, wenn ich nachsehe. Wie steht es mit der Polsterung, Mister Frost? Sie wissen, es könnte kälter werden.«
»Ja, natürlich«, sagte Frost. »Vielen Dank, Tom!«
»Jeder tut das Seine«, meinte der Wächter. »Wir müssen aufeinander aufpassen. Dieser Spruch
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