Geschenke für den Kommissar - Kriminalroman
Hochparterre. Auf der linken Seite befand sich eine Tür, scheinbar der Eingang zur unteren Wohnung. Rechts des Flurs führte eine Holztreppe nach oben, ebenfalls neu gezimmert. Buchenholz, schätzte Karlo, zehn Stufen bis zum Absatz, dann noch einmal die gleiche Anzahl in die andere Richtung. Er stand schon auf der dritten Stufe, als sich die Tür auf der linken Seite öffnete. Ein drahtig wirkender älterer Herr winkte ihm zu. Sein faltiges wettergegerbtes Gesicht wetteiferte mit dem Zustand der Hausfassade. Die immer noch vollen, kurzgeschorenen Haare hingegen verliehen dem Mann etwas Jungenhaftes. Ein knapper, aber fester Händedruck brachte Karlo zur Überzeugung, dass wie bei dem Haus mehr vorhanden war als nur die in die Jahre gekommene Fassade.
„Kommen Sie“, forderte er Karlo schwungvoll auf, „wir gehen gleich mal nach oben. Wir können jetzt rein, die Wohnung ist freigegeben worden.“
Berwald übernahm die Führung und stieg ziemlich flott die Treppe empor, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Karlo staunte nicht schlecht. Ganz schön fit, der Alte. Plötzlich blieb er stehen und kniff die Augen zusammen.
„Freigegeben?“
Der Hausbesitzer stoppte ebenfalls, legte seine Hand auf das Treppengeländer und musterte Karlo eingehend.
„Ach“, murmelte er dann, „Sie müssen entschuldigen, klar, Sie wissen ja nichts. Aber kommen Sie doch erst einmal mit.“
Auch im ersten Stock setzte sich der gute Eindruck fort. Alles war neu gemacht. Sogar die Wohnungsür war brandneu. Karlo warf einen fachmännischen Blick auf das Schloss, reine Routine. Das Neueste vom Neuen. Er grinste. Ein Einbrecher würde es hier schwer haben. Vor allem jemand, der möglichst keine Einbruchsspuren hinterlassen wollte.
Berwald öffnete die Eingangstür. Ein langer Flur erstreckte sich über die gesamte Breite des Hauses. Karlo erblickte vier Türen – die Wohnung schien wirklich groß zu sein. Und das alles für so wenig Geld? Er begann zu zweifeln. Schon einmal hatte eine günstige Wohnung ihm jede Menge Ärger eingebracht. Der Hausbesitzer schien seine Gedanken zu erraten.
„Nun, Herr Kölner, es handelt sich natürlich nicht um alle Räumlichkeiten hier. Jeder meiner Mieter hat nur einen Raum zur individuellen Verfügung. Wissen Sie, ich habe das Haus ähnlich gestalten lassen wie ein Hotel. Aber Sie werden gleich sehen.“
Er steckte einen Schlüssel ins Schloss der zweiten Tür. Auf Augenhöhe befand sich ein kleines Namensschildchen.
Walter Habicht
. Der Name sagte ihm nichts. Als Berwald ihn ins Zimmer winkte, zögerte er. Der alte Herr schien ungeduldig zu sein.
„Nun kommen Sie schon. Treten Sie ein“, forderte er Karlo nachdrücklich auf. Karlo trat ins Zimmer.
„Sie müssten allerdings noch ein wenig aufräumen“, erläuterte der Vermieter. „Die meisten Sachen von Herrn Habicht sind schon abgeholt worden. Sein Bruder hat sich darum gekümmert. Was Sie noch finden, können Sie meinetwegen in den Hausmüll werfen. Das sind wahrscheinlich vor allem ein paar Dinge im Bad.“
Berwald war inzwischen ans Fenster gegangen und zog den Rollladen auf. Das Morgenlicht strömte herein. Karlo staunte nicht schlecht. Der große Raum wirkte sehr angenehm. Auf der linken Seite stand, mittig vor der hellblau gestrichenen Wand, ein heller Kleiderschrank aus Massivholz. Rechts daneben ein Esstisch mit zwei Stühlen. Links davon war ein kleiner Raum mit Rigipswänden abgetrennt. Eine schmale Tür in der Wand stand halb offen, und Karlo erkannte dahinter eine kleine Dusche sowie ein Waschbecken und eine Toilettenschüssel. In der Mitte des Zimmers befand sich ein weiteres Tischchen, vor dem zwei dunkelblaue Polstersessel platziert waren. An der Wand gegenüber des Kleiderschrankes stand ein Bett.
Kein Doppelbett
, konstatierte Karlo sofort etwas enttäuscht. Immerhin etwas breiter als normal, einsvierzig schätzte er dann. Eine intime Besucherin, wenn sie sich denn fände – würde zumindest für eine kleine Kuschelrunde Platz haben. Und wenn nicht? Dann würde der kleine Flachbildfernseher, den er als letztes Ausstattungsstück links neben der Zimmertür, an einem Schwenkarm befestigt, entdeckte, zumindest die Langeweile vertreiben.
„Nun, Herr Kölner, was wollen Sie denn gerne wissen?“
Karlo zuckte zusammen.
„Ich? Äh – wissen?“, fragte er ziemlich verwundert zurück. „Wollen denn nicht zuerst
Sie
etwas über
mich
erfahren?“
„Herr Reinfeld hat mir bereits alles über Sie erzählt. Ich
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