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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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unsere Familie war. Und wie sehr ich sie für das liebte, was sie für mich getan hatten. Zum Abschied lagen wir uns in den Armen und weinten. War das der Beginn eines Neuanfangs?
    Als ich abends ins Wohnheim zurückkam, war ich völlig erschöpft. Aber auch glücklich. Ich spürte so deutlich, dass das der richtige Schritt war, und war so froh, dass Mama und Papa ihn auch machen wollten! Die eigentliche Adoption würde eine Formalität sein. Wenn ich achtzehn war, konnte sich niemand mehr dagegenstellen.
    An den kommenden Wochenenden redeten wir auch mit meinen Geschwistern über meine Adoption. Zweimal kam Anne extra für ein Wochenende nach Hause. Meine Eltern machten meinen Geschwistern klar, was eine Adoption für sie bedeutete: Ich würde nicht nur endlich den Namen meiner Eltern und Geschwister tragen, sondern wäre meinen Geschwistern in allem gleichgestellt. Ich würde zum Beispiel genauso wie sie erben, wenn meine Eltern einmal nicht mehr da waren. Meinen Geschwistern und mir war dieses Erbthema völlig egal. Ich war erleichtert, als sie sagten, dass es auch für sie keine Frage war, meiner Adoption zuzustimmen. Kerstin und Stefan sagten, dass ich immer ihre Schwester gewesen war und immer sein würde, egal, wie viel wir uns gezofft hatten.
    Obwohl alle mit meiner Adoption einverstanden waren, merkte ich, dass die Verletzungen, die wir uns in den letzten Jahren zugefügt hatten, nicht einfach auszulöschen waren. Bei den Gesprächen gab es viele Themen, die wir wie Klippen umschiffen mussten, damit nicht doch wieder Streit ausbrach. Ein echter Neuanfang brauchte Zeit. Auch für mich.
    Dass ich nach der Adoption erbberechtigt sein würde, bedeutete uns zwar nichts, zeigte aber die Dimension einer Adoption, auch wenn man schon achtzehn war. Über diese Dinge hatte ich noch nie nachgedacht.
    Mein ganzes Leben lang war ich nicht Fisch und nicht Fleisch gewesen. Ich hatte einen Sonderstatus gehabt. Wie würde es sein, ihn abzulegen? Wenn ich es mir vorstellte, schob sich immer wieder das Bild meiner leiblichen Mutter vor mein inneres Auge. Würde sie endlich verstehen, was sie mir angetan hatte? Und würde ich jemals verstehen, warum sie mir das angetan hatte? Plötzlich lief mein Hirn auf Hochtouren. Aus dem Gedanken, mich adoptieren zu lassen, wurde auf einmal ein Wust an Gefühlen und Fragen. Ich zweifelte nicht an der Richtigkeit des Schritts, aber es war auch anstrengend, dauernd darüber nachzudenken. Trotzdem konnte ich nicht damit aufhören.
    Irgendwann kam ich auf die Idee, mich noch einmal mit einer Psychologin zu treffen. Die Psychologin, zu der ich vor dem ersten Gerichtsverfahren gehen musste, hatte ich zwar nicht in guter Erinnerung, aber ich hoffte, dass es auch andere gab, die einfach mit mir redeten und keine Barbiepuppen auspackten. Mama machte einen Termin für mich, und ein paar Wochen später saß ich in ihrer Praxis.
    Die Psychologin war viel netter, als ich erwartet hatte, und die Stunden bei ihr hatten nichts mit dem Barbiepuppen-Mist zu tun, den wir ertragen mussten, als ich vierzehn war. Diesmal redeten wir einfach nur und die Psychologin behandelte mich wie eine Erwachsene. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich verstand und mit ihren gezielten Fragen etwas Ordnung in das Durcheinander in meinem Kopf brachte. Sie verstand, warum ich mit Mama so viel gestritten hatte und dass ich nicht aus meiner Haut gekonnt hatte, auch wenn ich mich noch so sehr zusammengerissen hatte.
    Im Krankenhaus lief alles weiter seinen Gang. Wir hatten abwechselnd Berufsschule und Dienst auf Station. Seit einigen Wochen arbeitete ich jetzt schon auf der Geburtsstation. Glück und Leid lagen hier so nah zusammen wie nirgendwo sonst. Die Neugeborenen mit ihren winzigen Händen und zusammengekniffenen Augen rührten mich sehr. Wie konnte man so ein kleines Wesen einfach weggeben? Der Gedanke war mir schon früher gekommen, aber als ich auf der Station die erschöpften, glücklichen Mütter sah, die ihre Babys im Arm hielten und völlig überwältigt von Gefühlen waren, konnte ich mir immer weniger vorstellen, was in meiner Mutter vorgegangen sein musste, als sie mich in die Obhut einer anderen Familie gegeben hatte.
    Die Fragen, die meine leibliche Mutter betrafen, kamen wieder hoch. Wie hatte sie mich weggeben können? Warum war sie schwanger geworden, wenn sie doch schon wusste, dass sie mich nicht aufziehen wollte? Warum hatte sie mich überhaupt bekommen? Und warum hatte sie mich weggegeben und mich doch nie

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