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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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losgelassen?
    Als ich bei unserem nächsten Termin mit der Psychologin darüber sprach, bot sie mir an, in ihrem Beisein ein Gespräch mit meiner Mutter zu führen, um die Fragen, die mich quälten, endlich zu klären. Ich überlegte. Das wäre eine völlig neue Situation. Könnte die Psychologin mir helfen, endlich Antworten zu finden und auch diesen Knoten in meinem Kopf zu lösen? Ich merkte, dass mir der Gedanke an ein Gespräch mit meiner Mutter zwar nicht angenehm war, ich mich aber danach sehnte, die Dinge zwischen ihr und mir zu klären. Nur dann wäre der Schlussstrich, den ich von der Adoption erhoffte, wirklich ein Schlussstrich. Ob ich es wollte oder nicht; sie gehörte zu meinem bisherigen Leben und ihre Entscheidungen hatten es geprägt.
    Meine Mutter war sofort bereit, sich im Beisein der Therapeutin mit mir zu treffen. Sie freute sich, dass ich sie endlich wiedersehen wollte. Von der Adoption erzählten wir ihr vorsichtshalber nichts.
    Wir trafen uns in der Praxis der Therapeutin. Als sie hereinkam, war sie nervöser, als ich sie in Erinnerung hatte. Wir hatten uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen, aber vielleicht war es auch der ungewohnte Rahmen des Gesprächs. Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals mit meiner Mutter geplant und in Ruhe über unsere Probleme unterhalten zu haben.
    Zum Glück musste ich erst mal gar nichts sagen. Die Therapeutin erklärte meiner Mutter, dass ich mir über einige Dinge klarwerden wollte. Sie sagte, ich würde mich immer wieder fragen, warum sie mich einerseits weggegeben hatte, mich andererseits aber nie hatte loslassen können.
    Meine Mutter dachte nach und sagte dann sehr ernst:
    »Janine, wofür du dich im Leben auch entscheidest, du darfst es später nicht bereuen. Auch wenn mal was schiefgeht, musst du zu deinen Entscheidungen stehen. Es ist, wie es ist. Ich hatte damals die klare Vorstellung, ich hol dich wieder, sobald sich meine Lebenssituation geändert hat. Aber irgendwann habe ich gemerkt, so einfach geht das nicht. Du hattest eine eigene Familie gefunden, die immer sehr gut für dich gesorgt hat und bei der du glücklich warst. Ich habe dich dort gesehen und mir gedacht: Kann ich ihr das bieten? Würde es ihr bei mir auch so gut gehen? Kann ich ihr das antun, sie da rauszuholen?«
    Ich hatte immer gedacht, dass sie uns ein bisschen spießig fand. Sie hatte sich oft über meine Eltern lustig gemacht. Nun wurde mir klar, dass sie das gar nicht so gemeint hatte. Ich musste an die wenigen Male denken, die meine Mutter bei uns zu Hause gewesen war. Sie war Mama gegenüber immer sehr respektvoll gewesen.
    »Ich habe unterschätzt, wie viel Zeit ein, zwei Jahre für ein kleines Kind sind. Ich konnte dich da nicht rausreißen, aber ich konnte dich auch nicht freigeben. Das habe ich einfach nicht geschafft«, sie schüttelte den Kopf und blickte zu Boden. Dann sah sie mich wieder an.
    »Egal, wie die Leute über mich reden, oder was sie sich denken: In meinem Leben war alles allein meine Entscheidung. Auch wenn mir manche Entscheidungen schwergefallen sind – und dich wegzugeben, gehört sicherlich dazu –, ich weiß, warum ich mich so entschieden habe, und deshalb bereue ich nichts. Ich bin beruflich Wege gegangen, die viele nicht gut fanden, und ich habe lange Zeit sehr intensiv gelebt. Aber ich habe alles gemacht, weil ich es so wollte. Es war mir immer völlig egal, was die anderen über mich dachten. Über mein Leben bestimme ich, nicht die Meinung anderer oder die Angst davor.«
    Sie sagte das ganz ruhig und voller Überzeugung. Und plötzlich bewunderte ich sie. So konsequent seinen Weg zu gehen, sich nicht darum zu scheren, was andere dachten! Vielleicht war das egoistisch, aber ich fand es vor allem sehr mutig. Sie strahlte Selbstbewusstsein und Stärke aus. So hatte ich sie noch nie gesehen. Trotzdem brannte mir nach wie vor eine Frage unter den Nägeln:
    »Aber warum warst du dann nicht einverstanden, dass meine Familie mich adoptiert?«
    »Nur, weil man zu seinen Entscheidungen steht, muss man nicht sein ganzes Leben mit ihnen glücklich sein. Ich wusste immer, dass es für mich und vor allem für dich die richtige Entscheidung war, dich zu deiner Familie zu geben. Aber ich habe auch darunter gelitten. Ich habe dich oft vermisst, und ich hätte es niemals über das Herz gebracht, die Verbindung zu dir abzubrechen. Eine Adoption hätte uns für immer getrennt. Es gibt Dinge, die kannst du eben nicht rückgängig machen im Leben. Ein Kind zu

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