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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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mich bekommen sollten. Wir hatten alle nicht mehr mit der Unsicherheit leben können, dass Leute von außerhalb jederzeit unsere Familie beeinflussen und im schlimmsten Fall zerstören konnten. Ich hatte immer gedacht, das wäre das Wichtigste: die rechtliche Sicherheit, die uns ein angstfreies Leben ermöglicht hätte und die uns immer verweigert wurde.
    Der abgelehnte Antrag und die Unsicherheit und Angst, die sich dadurch noch verstärkt hatten, hatten unsere Familie fast zerrissen. Doch auf einmal verstand ich, dass das Sorgerecht nicht der einzige Punkt war. Ich würde mich weiterhin hin- und hergerissen fühlen, auch wenn ich mit achtzehn voll für mich verantwortlich war, es gar kein Sorgerecht mehr gab und niemand außer mir selbst über mein Leben bestimmen durfte.
    Was fehlte und immer gefehlt hatte, war das Gefühl, wirklich dazuzugehören. Unwiderruflich, für immer und ohne Kompromisse. Ich wollte mich endlich ohne jeden Zweifel zugehörig fühlen, endlich ohne blödes Gefühl von »meiner Familie« reden können und nicht mehr gleichzeitig »Pflegefamilie« denken. Meine Mutter, mein Vater, meine Geschwister. Ich wollte, dass endlich offiziell wurde, was in meinem Herzen schon längst Wirklichkeit war: Ich gehörte zu meiner Familie.
    Gleichzeitig wollte ich mit allem abschließen, was mich in meiner Kindheit und Jugend gequält hatte. Wir alle hatten so darunter gelitten, dass es jahrelang keine Entscheidung gegeben hatte.
    Ob meine Eltern das genauso sahen? Ob sie mich immer noch adoptieren wollten? Oder hatten die letzten beiden Jahre zu viel zwischen uns kaputtgemacht? Ich wusste es nicht, aber ich nahm mir fest vor, es herauszufinden.
    Am nächsten Wochenende hatte ich keinen Dienst und fuhr nach Hause. In der Kirche musste ich an Mamas Worte von vor ein paar Wochen denken: Oft ist der bequeme Weg nicht der, der uns weiterbringt im Leben, und nicht der, der uns glücklich macht. Bequemer wäre es, das ganze Thema auf sich beruhen zu lassen und einfach so weiterzumachen wie bisher. Seit ich ausgezogen war, verstanden wir uns ja auch wieder ein bisschen besser. So wie mich die neue Selbstständigkeit befreite, befreite es Mama wohl, nicht mehr alleine für mich verantwortlich zu sein. Sie lächelte wieder öfter und die Falte zwischen ihren Augenbrauen hatte sich etwas geglättet. Die angeblich so guten Ohren der Nonnen schienen sie zu beruhigen. Trotzdem hatten wir nicht wieder richtig zueinander gefunden. Wir stritten zwar nicht mehr so oft, aber wir redeten auch nicht mehr über die Dinge, die uns wichtig waren. Alles blieb an der Oberfläche.
    Wenn ich einfach alles so ließ, wie es war, würde vielleicht immer etwas fehlen. Ich wäre erwachsen und wäre weiterhin ein Mensch, der nirgendwo richtig dazugehörte und den falschen Familiennamen trug.
    Nach der Kirche beim Essen war ich wohl sehr ruhig, denn irgendwann sagte Mama: »Hallo, Erde an Janine! Schmeckt’s dir?«
    »Oh, äh, ja klar. Schmeckt super, Mama! Ich war bloß in Gedanken.«
    Als wir fertig waren, half ich, den Tisch abzudecken und die Küche aufzuräumen. Mama begann mit dem Abwasch.
    »Du bist so nachdenklich, ist irgendetwas?«, fragte Mama unvermittelt und blickte über die Schulter.
    »Ich weiß nicht …« Wie sollte ich anfangen? Wir hatten so lange nicht mehr wirklich offen miteinander geredet. Und: Was wäre, wenn sie die Idee mit der Adoption blöd fand und das gar nicht mehr wollte?
    Ich fasste mir ein Herz und sagte: »Es tut mir leid, dass wir so viel gestritten haben in den letzten eineinhalb Jahren. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht und ich würde gerne …«
    Mama hatte aufgehört abzuspülen und sich zu mir umgedreht. Sie sah mich erwartungsvoll an. »Ja?« Ihre Hände kneteten nervös das Geschirrtuch.
    »Na ja, ich hatte gedacht, ob wir nicht einen Schlussstrich unter alles ziehen und noch einmal die Adoption beantragen sollten«, platzte ich heraus.
    Mamas Augen wurden groß. Sie lächelte und begann gleichzeitig zu weinen.
    Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen.
    »Peter, komm mal schnell, Janine möchte etwas mit uns besprechen«, rief sie ins Esszimmer rüber, wo Papa Zeitung las. Sie schniefte und legte geistesabwesend das Geschirrtuch auf die Arbeitsplatte.
    Wir ließen den ganzen Abwasch einfach stehen und setzten uns an den Küchentisch. Wie lange hatten wir nicht mehr so miteinander geredet! Als ich einmal angefangen hatte, war es gar nicht mehr so schwer, ihnen zu sagen, wie wichtig mir

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