Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy
Kleidungsstücken zu packen, die sie nicht mehr tragen sollte. Dann legte er auf. Es war ein Uhr vorbei und das Wetter war schön. Ein Sonnenstrahl fiel auf das Nachthemd und den Morgenrock aus Cordsamt, blaßgrün wie die Schalen frischer Mandeln, beide lagen noch auf dem Teppich, wie O sie hatte herabgleiten lassen. Sie hob sie auf und trug sie ins Badezimmer, hängte sie in einen Wandschrank. Als sie an einem Spiegel vorbeiging, der an einer Tür angebracht war und mit einem Wandspiegel und einer zweiten, ebenfalls mit Spiegelglas belegten Tür einen dreiteiligen Spiegel bildete, sah sie plötzlich ihr Bild: sie hatte nichts am Leib als ihre Lederpantöffelchen, vom gleichen Grün wie ihr Morgenrock, kaum dunkler als die Pantöffelchen, die sie in Roissy getragen hatte - und ihren Ring. Sie trug weder Halsband noch Lederarmreifen, und sie war allein, ihr eigener Zuschauer. Dennoch hatte sie sich noch niemals so völlig einem fremden Willen ausgeliefert, so völlig als Sklavin gefühlt, und war noch nie so glücklich darüber gewesen. Als sie sich bückte, um eine Schublade zu öffnen, sah sie ihre Brüste sich leicht bewegen. Es dauerte beinah zwei Stunden, bis sie alle Kleidungsstücke, die in den Koffer gepackt werden mußten, auf dem Bett ausgelegt hatte. Bei den Slips gab es keinen Zweifel, O schichtete sie zu einem Häufchen neben einer der Sprossen. Die Büstenhalter ebenfalls, es blieb nicht einer übrig: sie waren alle über dem Rücken gekreuzt und schlossen an der Seite. Aber sie sah schon, wie sie das gleiche Modell anfertigen lassen könnte, nur mit dem Verschluß vorn, genau unter der Furche zwischen den Brüsten. Auch die Strumpfgürtel machten keine Schwierigkeiten, aber sie zögerte, das Taillenmieder aus rosen Seidenbroché dazuzulegen, das am Rücken geschnürt wurde und dem Korsett, das sie in Roissy getragen hatte, so ähnlich war. Sie legte es beiseite, auf die Kommode. René würde entscheiden. Er würde auch wegen der Pullover entscheiden, die alle über den Kopf gezogen wurden und am Hals eng anlagen, also nicht zu öffnen waren. Aber man konnte sie von der Taille her hochziehen und so die Brüste freimachen. Sämtliche Unterkleider dagegen häuften sich auf dem Bett. In der Kommodenschublade blieb nur ein Halbrock aus schwarzem Faille mit Plisseesaum und kleinen Valencienne- Spitzen, der unter einen schwarzen, sehr leichten und fast durchsichtigen Wollrock mit Sonnenplissee gehörte. Sie würde neue Unterröcke brauchen, hellfarbig und kurz. Sie stellte fest, daß sie entweder ganz auf enge Kleider verzichten oder Mantelkleider wählen müßte, die von oben bis unten durchgeknöpft waren, mit einem Futter, das sich zugleich mit dem Kleid öffnete. Bei den Unterröcken und Kleidern war die Sache einfach, aber was würde die Wäschenäherin sagen, wenn sie ihre Bestellung aufgeben würde? Sie würde ihr erklären, daß sie ein loses Futter haben wolle, weil sie leicht friere. Es stimmte sogar, daß sie leicht fror, und sie fragte sich plötzlich, wie sie so mangelhaft geschützt im Winter die Kälte im Freien ertragen werde. Als sie schließlich fertig war und von ihrer Garderobe nur die Hemdkleider blieben, die alle vorn geknöpft wurden, der schwarze Plisseerock, die Mäntel natürlich, und das Kostüm, mit dem sie aus Roissy zurückgekommen war, machte sie Tee. In der Küche stellte sie den Thermostat der Heizung höher; die Aufwartefrau hatte den Holzkorb für das Feuer im Salon nicht gefüllt und O wußte, daß ihr Gelieber sie am Abend im Salon am Feuer vorfinden wollte. In einen großen Sessel gekauert, den Tee neben sich, erwartete sie also seine Rückkehr, aber dieses Mal wartete sie, wie er es befohlen hatte, nackt.
Auf die erste Schwierigkeit stieß sie in ihrem Beruf. Schwierigkeit ist viel gesagt. Erstaunen wäre richtiger. O arbeitete in der Modeabteilung einer Photoagentur. Das heißt, sie machte im Studio, wo sie stundenlang posieren mußten, Aufnahmen von besonders exotischen und besonders hübschen Mädchen, die von den Modehäusern zur Vorführung ihrer Modelle ausgesucht wurden. Man wunderte sich, daß O ihren Urlaub so weit in den Herbst hinein ausgedehnt hatte und daher ausgerechnet in der Zeit abwesend war, in der die meiste Arbeit anfiel, kurz vor Erscheinen der neuen Mode. Aber das hätte man noch hingenommen. Man wunderte sich vor allem, daß sie so verändert war. Auf den ersten Blick konnte niemand sagen, woran es lag, aber jeder empfand es sofort und je länger
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