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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Réage
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Aber manchmal scheint es mir, daß hier nicht so sehr eine junge Frau als vielmehr eine Idee, eine Meinung gefoltert wird.
Die Wahrheit über den Aufstand
    Merkwürdig, die Idee vom Glück in der Sklaverei nimmt sich heutzutage wie neu aus. In der Familie hat das Oberhaupt kaum mehr das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden, in den Schulen und in der Ehe ist die körperliche Züchtigung verpönt, und Männer, die man in früheren Jahrhunderten stolz auf öffentlichen Plätzen enthauptet hat, läßt man heute jämmerlich in Kellern verfaulen. Wir martern nur noch anonym, und Leute, die es nicht verdienen. Deshalb sind diese Martern auch tausendmal grausamer, der Krieg röstet auf einen Schlag die gesamte Bevölkerung einer Stadt. Die exzessive Nachgiebigkeit des Vaters, des Lehrers oder des Liebhabers wird mit Bombenteppichen und Napalm und Atomexplosionen bezahlt. Alles geht vor sich, als existiere in der Welt ein geheimes Gleichgewicht der Gewalttaten, an denen wir den Geschmack verloren haben, ja, deren Sinn wir nicht mehr erkennen können. Und ich bin gar nicht böse, daß eine Frau diesen Geschmack und diesen Sinn wiedergefunden hat. Ich wundere mich nicht einmal darüber.
Ehrlich gesagt, ich habe über die Frauen nicht so viele bestimmte Ans ichten, wie dies bei Männern im allgemeinen der Fall ist. Ich bin überrascht, daß es sie gibt (die Frauen). Mehr als überrascht: vage verwundert. Weshalb sie mir vielleicht wunderbar erscheinen, ich beneide sie fast dauernd. Was erregt nun meinen Neid?
Manchmal sehne ich mich nach meiner Kindheit zurück. Dabei gilt aber meine Sehnsucht ganz und gar nicht den Überraschungen und Offenbarungen, von denen die Dichter sprechen. Nein. Ich erinnere mich an eine Zeit, als ich für die ganze Erde verantwortlich war. Abwechselnd Boxweltmeister oder Koch, politischer Redner (jawohl), General, Dieb und sogar Rothaut, Baum oder Fels. Man wird einwenden, daß es sich um ein Spiel handelte. Sicher, für Sie, die Erwachsenen, aber für mich nicht, ganz und gar nicht. Damals war ich Herr des Universums, mit allen Sorgen und Gefahren, die diese Herrschaft mit sich bringt: damals war ich universell. Genau darauf will ich hinaus.
Die Frauen besitzen die Gabe, ihr ganzes Leben lang den Kindern zu gleichen, die wir waren. Eine Frau versteht sich auf tausend Dinge, die uns fremd sind. Fast immer kann sie nähen. Sie kann kochen. Sie weiß, wie man ein Zimmer einrichtet und welche Stile sich untereinander vertragen (ich sage nicht, daß sie alles perfekt macht, aber ich war auch keine perfekte Rothaut). Sie kann noch mehr. Sie kann mit Hunden und Katzen umgehen; sie spricht mit diesen Halbverrückten, den Kindern, die wir unter uns dulden: sie lehrt sie die Kosmologie und gute Manieren, die Hygiene und die Märchen, ja, manchmal sogar das Klavierspielen. Kurz, wir träumen von Jugend an vergeblich von einem Mann, der alle Männer zugleich wäre. Dagegen scheint es, daß es jeder Frau möglich ist, alle Frauen (und alle Männer) zugleich zu sein. Aber es kommt noch merkwürdiger.
Man hört heutzutage oft sagen, daß es genüge, alles zu begreifen, um alles zu verzeihen. Nun, ich war immer der Ansicht, daß bei den Frauen - so universell sie auch sein mögen - das Gegenteil zutrifft. Ich hatte eine Menge Freunde, die mich so nahmen, wie ich bin, und die ich meinerseits so nahm, wie sie waren - ohne den geringsten Wunsch, uns gegenseitig zu verändern. Ich freute mich sogar - und auch sie freuten sich -, daß jeder von uns so sehr er selbst war. Aber es gibt keine Frau, die nicht versuchte, den Mann, den sie liebt, zu ändern, und sich damit. Als löge das Sprichwort, als genüge es, alles zu verstehen, um gar nichts zu verzeihen.
Nein, Pauline Réage verzeiht sich so gut wie nichts. Und ich frage mich sogar, ob sie nicht ein klein wenig übertreibt; ob ihresgleichen, die Frauen, ihr wirklich so gleichen, wie sie annimmt. Aber mehr als ein Mann wird wohl zu gern mit ihr einer Meinung sein.
Muß man bedauern, daß die Klageschrift verlorenging? Ich fürchte, ehrlich gesagt, daß der ehrenwerte Anabaptist, der sie verfaßte, diese Schrift in ihrem apologetischen Teil mit ziemlich abgedroschenen Gemeinplätzen spickte: zum Beispiel, daß es immer Sklaven geben werde (was stimmt); daß es immer die gleichen sein würden (worüber sich streiten läßt); daß man sich mit seinem Stand abfinden und eine Zeit, die man dem Spiel, der Meditation und den üblichen Vergnügungen widmen könnte, nicht

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