Geschichte des Gens
indirekte Möglichkeit besteht darin, erst die mRNA des Gens zu isolieren, um aus ihm anschließend mit dem Umkehrenzym das dazugehörige DNA-Molekül anzufertigen. Die auf die zweite (enzymatische) Weise angefertigte DNA nennen die Genetiker cDNA; das c steht für copy und soll ausdrücken, dass es sich nicht um einen natürlichen DNA-Abschnitt handelt, sondern um ein Fragment, das kopiert worden ist nach der Vorgabe der mRNA, in der die Information für ein Protein steckt.
Nun klingt das alles bisher wie eine Menge technischer Details ohne wissenschaftlichen Nährwert. Doch kamen einige Biochemiker auf die Idee, einmal nachzusehen, ob die direkt und die indirekt gewonnene DNA eines Gens - also die DNA aus der Zelle und die cDNA aus dem Reagenzglas - übereinstimmen oder ob sich da Unterschiede ausmachen lassen. Und es zeigte sich: Die cDNA war zum Teil erheblich kürzer als die direkt aus den Zellen isolierte DNA. Diese Unterschiede konnten im Elektronenmikroskop unmittelbar sichtbar gemacht werden. In Abbildung 12 werde sie am Beispiel des Gens gezeigt, das die Information für ein Protein namens Ovalbumin trägt - im Alltag besser als Hühnereiweiß bekannt. Die elektronenmikroskopische Aufnahme, für deren Herstellung DNA isoliert, auf einer Oberfläche ausgebreitet und in diesem Zustand so präpariert wird, dass sie mit einem Elektronenstrahl abgetastet werden kann, lässt den Fachmann erkennen, was zur Veranschaulichung in der Skizze darunter gezeichnet ist. In dem Bild lassen sich ein- und doppelsträngige Bereiche von DNA unterscheiden und so ist zu erkennen, dass die Sequenzen in der cDNA beziehungsweise mRNA wesentlich kürzer sind und die natürliche DNA aus der Zelle viel Material zwischen jenen DNA-Abschnitten hat, die das Ovalbumin kodieren. Insgesamt ergibt sich daraus die zerstückelte Genstruktur, die als Hell-Dunkel-Muster dargestellt ist, die Ziffern gehen die Positionen von Basen in der DNA an.
Wie ist die Aufnahme zustande gekommen? Um dies zu erklären, muss ein wenig ausgeholt werden. Bekanntlich besteht ein DNA-Molekül als Doppelhelix, das heißt es gibt zwei Stränge, die sich umeinander winden. Schon seit vielen Jahren ist bekannt, dass diese Ordnung durch eine Erhöhung der Temperatur gestört werden kann. Bei einer bestimmten Temperatur lösen sich die Stränge voneinander, und aus einer DNA-Doppelhelix werden zwei 1 Einzelstränge, die sich erneut zusammen legen, wenn die Temperatur gesenkt wird. Wenn nun in einem Reagenzglas verschiedene DNA-Moleküle zu sammengebracht werden und dafür gesorgt wird, dass sich die Doppelstränge erst auflösen und anschließend wieder bilden, dann können auch so genannte hybride Moleküle entstehen.
Abb.12: Der Nachweis von Mosaikgenen am Beispiel des Gens für Ovalbumin (Hühnereiweiß). Die Beobachtung von split genes ist ursprünglich mit cDNA gelungen; zur Demonstration des überraschenden Befundes ist in der Abbildung mit der mRNA selbst gearbeitet worden.
Bei ihnen versuchen zwei Stränge eine Doppelhelix zu bilden, die vorher nicht zusammen waren/Sie können sich natürlich nur dort aneinander binden, wo sie mit den gleichen Sequenzen von Basen ausgestattet sind.
Man spricht bei diesem Vorgehen von DNA-Hybridisierung, und als es in einer Lösung durchgespielt wurde, in der die zu einem Gen gehörende DNA, die direkt aus der Zelle kam, mit der entsprechenden cDNA gemischt war, die man mit Hilfe einer Reversen Transkriptase angefertigt hatte, da zeigte das hybride Molekül, dass die zelluläre DNA zwar alle Abschnitte der cDNA erfassen und binden konnte, dass sie darüber hinaus aber noch viel mehr Sequenzen umfasste und sehr viel länger war. Nur an einem ihrer Enden ist die mRNA beziehungsweise die damit herstellbare cDNA länger als das zelluläre Original. Sie trägt einen in der Abbildung 13 sichtbaren Schwanz mit sich herum, der nur aus den Basen mit Namen Adenin besteht. Man spricht vom Poly-A-Schwanz, der natürlich ebenfalls seine Funktion hat, auch wenn niemand so recht anzugeben weiß, welches Signal mit ihm gegeben wird.
Die Beobachtung mit der geschrumpften mRNA und ihrem zerschnipselten Ursprung ist Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich in vielen Laboratorien gleichzeitig gemacht worden, ohne dass die Experimentatoren ihren Augen trauten. Die Techniken standen überall zur Verfügung. Man sah die überstehenden einzelsträngigen DNA-Stücke und erkannte sie nicht. Man sah nicht, was sie
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