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Geschichte des Gens

Geschichte des Gens

Titel: Geschichte des Gens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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getrennte Gene für die variablen (V) und die konstanten (C) Regionen der Antikörper gibt. Während die Information für die C-Regionen in einem Gen (Exon) steckt, finden sich für die V-Regionen viele tausend Genstücke, die im Verlauf der Entwicklung oder Reifung zusammengebracht und kombiniert werden.
    In diesem Satz steckt die zusätzliche Erkenntnis, dass Genstücke wenigstens einigermaßen räumlich benachbart sein müssen, um ihre Information auf der Ebene der Proteine zusammenbringen zu können. Tatsächlich ließ sich bald zeigen, dass die Gene für die variablen und die konstanten Regionen in Zellen aus dem embryonalen Gewebe noch sehr weit voneinander entfernt sind. Sie kommen erst später im Verlauf der Entwicklung in einer Zelle nebeneinander zu liegen und können erst dann auch Antikörper produzieren. Bevor die beiden Genstücke durch eine geeignete Rekombination in eine funktionale Nachbarschaft gebracht werden - also im Zustand des Embryos-, können gar keine Abwehrproteine hergestellt werden (Abbildung 15), was man auch so ausdrücken kann, dass es vorher keine Gene für sie gibt.
    Die eben geschilderte Beobachtung hat Konsequenzen für die Frage, inwieweit das genetische Material von Zellen eines Körpers identisch ist. Offenbar unterscheidet sich die Anlage der Genstücke - und damit die Qualität der DNA - in embryonalen Zellen von denen in erwachsenen Zellen, die zum Immunsystem gehören, und wer weiß denn, welche Umgruppierungen erfolgen müssen, um etwa Herzmuskelzellen oder gar die vielen Nervenzellen herzustellen, die das Gehirn ausmachen und funktionieren lassen. Der Nachweis von beweglichen und verschiebbaren Genstücken bei Antikörperketten zeigt aber vor allem, dass ein Embryo noch nicht über alle Gene verfügt. Anders ausgedrückt: Gene sind keine Einheiten, die fix und fertig mit der Geburt geliefert werden. Sie sind nicht notwendigerweise etwas wirklich Vorhandenes in einer Zelle, vielmehr sind sie etwas Mögliches, das im Verlauf des Lebens werden - und vielleicht auch vergehen - kann.

    Abb. 15: Umgruppierung von Antikörpergenen während der Entwicklung von Em-bryonalzellen zu Zellen des Immunsystems
     
    Die Beobachtungen von Umgruppierungen und Neuarrangements von Genstücken machte es bereits ab Mitte der sechziger Jahre immer schwieriger, das traditionelle Bild des Gens aufrechtzuerhalten. Die Vielzahl an leichten Ketten für einen Antikörper wird nicht nur dadurch möglich, dass C-Regionen und V-Regionen zusammengebracht werden, sie wird dadurch zusätzlich erhöht, dass vor jeder C-Region ein Haufen (cluster) von so genannten J-Regionen liegt, die nicht identisch sind. Das J steht dabei als Abkürzung für joining, was soviel wie »sich anschließen« heißt. Ein V-Gen (wenn dieser Ausdruck einmal erlaubt ist) kann sich über ein J-Gen an ein C-Gen anschließen (lassen), und es hat dabei eine große Auswahl (ziemlich schleierhaft bleibt, von wo aus und wie dies alles gesteuert und koordiniert werden kann).
    J-Regionen der beschriebenen Art finden sich auch vor den Genen für die konstanten Abschnitte der schweren Ketten, für deren Herstellung aber noch ein weiteres Element benutzt wird, wie weitere Experimente zeigten. Es läuft unter der Bezeichnung D, was für diversity, also Vielfalt, steht. Das Vorhandensein mehrerer D-Elemente, von denen jedes in das funktionsfähige Gen für eine schwere Kette eingebaut werden kann, vergrößert die Zahl der möglichen Ketten mit unterschiedlicher Spezifität. Die mit ihrer Hilfe produzierbare Vielfalt macht biologisch Sinn, weshalb man dann nicht weiter überrascht war, als sich herausstellte, dass sowohl die von J-Elementen als auch die von D-Regionen kodierten Aminosäuren in dem jeweiligen Antikörper zu der Struktur der Stelle beitragen, mit deren Hilfe ein Antigen gebunden wird.
    Neben dem jetzt gelösten Rätsel, wie mit so wenigen Genen so viele verschiedene Antikörper mit all den variablen Sequenzen hergestellt werden, stellte sich noch die Frage, wie eine Zelle zugleich zwei unterschiedlich schwere Ketten mit gleichen variablen Regionen herstellen kann. Die Antwort steckt in dem Vorgang, der Splei-ßen genannt worden ist und der auf alternative Weisen erfolgen kann, wie bald nachgewiesen werden konnte. Nachdem eine Immunzelle die V-Region, die J-Region und zwei verschiedene C-Regionen so zusammengestellt hat, dass sie hintereinander liegen, kann sie bei der Herstellung der mRNA für die schwere Kette das primär

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