Geschichte des Gens
eines Operators bekommt, wie man sagt. Wenn es nun der Laktose gelingt, zu dem Repressor vorzudringen, klammert sich der Zucker fest an das Protein, das durch dieses Anbinden so umgeformt wird, dass es nicht weiter an der DNA haften bleiben kann. Die Unterdrückung des Lac-Operons ist aufgehoben, und die Anfertigung der Beta-Galaktosidase und der anderen Enzyme, die für das Heranholen und Verspeisen der Laktose benötigt werden, kann beginnen. Dies geschieht dadurch, dass ein anderes Enzym an ein anderes Stück DNA bindet und mit der Umschreibung (Transkription) der DNA-Sequenz für die Beta-Galaktosidase in ein RNA-Molekül beginnt. Dieses Enzym nennen die Biochemiker Polymerase
- genauer DNA-RNA-Polymerase -, und die Stelle, an der es das genetische Material bindet, heißt Promotor.
Von den drei Stukturgenen, die in dem Laktose-Operon eine Einheit bilden, kennt man trotz jahrzehntelanger Bemühungen noch nicht alle Raffinessen. Zwar ist klar, dass das erste Enzym die Laktose in den Stoffwechsel einfügt, und man hat auch verstanden, dass das zweite Enzym, dessen Tätigkeit durch den Begriff der Permease beschrieben wird, für den Transport des Zuckers aus dem Medium in die Zelle zuständig ist. Aber wozu genau das dritte Enzym, dessen sehr komplizierter Name sein biochemisches Tun im Detail beschreibt, von den Bakterien benötigt wird, muss nach wie vor erforscht werden.
Abb.11: Das Lac-Operon
Es ist wichtig zu betonen, dass Operator und Promotor nicht einfach nur DNA-Sequenzen sind, sondern wirklich und wahrhaftig als Gene bezeichnet werden müssen, da Mutationen in ihnen Auswirkungen auf die Erscheinungsform der Bakterien haben und auf die Nachkommen vererbt werden.
Das Lac-Operon stellt ein Beispiel für die Art der Regulation dar, die in der Sprache der Techniker negative feedback (negative Rückkopplung) heißt, womit das Aufheben einer Repression gemeint ist. Wer diesen Ausdruck hört, wird sofort schließen, dass es auch die entsprechende positive Rückkopplung im Zellgeschehen gibt, und sie wurde bald auch gefunden. Wichtig an diesen - immer bei einzelligen Bakterien gemachten -Entdeckungen war vor allem, dass sie den Weg für ein Forschungsprogramm aufzeigten, mit dem man das genetische Geschehen in Zellen von komplexeren, »höheren« Organismen erkunden wollte. Die Aufgabe bestand offenbar darin, ihre Regulatorgene zu identifizieren und zu charakterisieren, um zu verstehen, wie diese DNA-Sequenzen und die dazugehörigen Strukturgene interagierten und möglicherweise Netzwerke bildeten.
Natürlich stand man am Ende der sechziger Jahre erst am Beginn dieser Aufgabe, aber trotzdem wähnten sich viele führende Molekularbiologen dieser Zeit schon kurz vor dem Ziel eines genetischen Verständnisses des Lebens. Sie erwarteten jedenfalls in Zukunft keine wesentlichen gedanklichen Neuerungen mehr. Mit dem Dogma der Molekularbiologie , dem genetischen Code und dem Mechanismus der Genregulation schien »die fundamentale Basis der Biologie« bekannt zu sein, wie Monod 1972 in seinem Bestseller Zufall und Notwendigkeit schrieb: Diese Basis - DNA, Code, Dogma, Regulation -werde »zwar niemals in der Lage sein, das Ganze der Biosphäre vorzuführen und vorherzusagen, sie stellt trotzdem aber eine allgemeine Theorie der lebenden Systeme dar«, mit der man sicher zufrieden sein konnte.
That was the Molecular Biology that was hieß 1968 der erste Rückblick, der Entstehung und Höhepunkt der Molekulargenetik schilderte und dessen Verfasser, Günther Stent, offenbar meinte, es wäre schon möglich, ihre endgültige Geschichte zu schreiben. Das optimistische Motto hatte Crick 1962 ausgegeben, als ihm zusammen mit Watson der Nobelpreis übergeben wurde. In seiner Dankesrede sagte er: »Wir kommen an das Ende eines Zeitalters in der Molekularbiologie. Wenn die Entdeckung der DNA-Struktur das Ende des Anfangs war, dann ist die Entdeckung des genetischen Codes der Anfang des Endes.«
Zehn Jahre später schien auch dieser Anfang zu Ende, die Molekularbiologie hatte offenbar ihre Schuldigkeit getan. Doch nur ein Jahr später - im November 1973- sah alles schon wieder ganz anders aus. Die Gentechnik nahm einen neuen Anfang, der bis heute kein Ende erkennen lässt.
EIN DYNAMISCHES MOSAIK
Als am Ende der 1960er die politisch-gesellschaftliche Welt aus den Fugen zu geraten schien, wurde die Genetik offenkundig langweilig
- kurzfristig jedenfalls. Ihre führenden Vertreter schrieben Biographien (wie Watson) und
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