Geschichte des Gens
Geschichtsbücher (wie Jacob) oder wanderten in andere Bereiche der Wissenschaft ab (Crick etwa kümmerte sich von nun an um Neurobiologie). Man meinte, das Leben molekular zu verstehen, bis man verstehen musste, dass man die Moleküle unterschätzt und noch nichts von ihnen verstanden hatte. Auslöser einer neuen Genetik war die 1973 publizierte Beschreibung einer Methode, die im Volksmund unter dem Namen »Gentechnik« sehr populär werden sollte.
Die Gentechnik stellte ein Verfahren zur Neukombination und Vermehrung - Rekombination und Klonierung - von DNA-Molekülen dar und hatte daher zunächst weniger mit funktionellen Genen und mehr mit materiellen Molekülen zu tun. Für das Verständnis der Genetik und ihrer Objekte wäre es deshalb besser gewesen, wenn sich die sachlich korrekte Bezeichnung »Technik der DNA-Rekombination« oder eine ahn liehe Wendung nach dem amerikanischen Vorbild der »Recombinant DNA technology« sowohl im fachlichen Gespräch als auch in der öffentlichen Diskussion durchgesetzt hätte. So reden wir heute von Gentechnik, ohne zu wissen, ob das anvisierte DNA-Stück, mit dem wir handwerklich (»manipulierend«) umgehen und das wir zwischen Reagenzgläsern einerseits und Zellen andererseits hin- und herbewegen, ein Gen ist oder nicht. Denn so klares ist, dass Gene aus DNA bestehen, so klar ist auch, dass nicht alle DNA in einer Zelle die Qualifizierung als Gen verdient. Im Schatten der Aufdeckung des genetischen Codes und leider auch mit weniger Aufmerksamkeit bedacht als die Einführung der Gentechnik hatten zahlreiche wissenschaftliche Bemühungen um die Erbsubstanz Hinweise darauf gebracht, dass es eine Menge DNA in den Chromosomen gab, die weder zu einem Protein führte noch für die Regulierung seines Auftretens zuständig war.
DNA, der man keine Funktion zuweisen kann, nennen die Genetiker gerne »überflüssig«, wenn ihnen keine schlimmeren Worte wie »Schrott« einfallen. Die zu der Einsicht von genetisch nicht unbedingt erforderlichen DNA-Mengen führenden Untersuchungen wurden nicht mit Bakterien, sondern mit Zellen gemacht, die über einen Zellkern verfügen und deshalb als eukaryontisch bezeichnet werden. Die meisten Organismen, die im Kontext der Evolution als die höheren bezeichnet werden, sind Eukaryonten, wie es heißt, und Menschen, Mäuse, Fliegen und Würmer zählen dazu. Der Fachbegriff ist nötig, weil es auch Lebensformen ohne Zellkern gibt. In diesem Fall ist von Prokaryonten die Rede, und die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe sind die vielfach erwähnten Bakterien, die allerdings in der Genetik eine prominente Rolle gespielt haben. Das Wissen, das die heutige Molekularbiologie angehäuft hat, konnte sie vornehmlich mit Hilfe von Bakterien gewinnen. Wer in den sechziger und siebziger Jahren Genetik trieb, experimentierte zumeist mit Bakterien und dabei vor allem mit dem beliebten »Haustierchen« der Molekularbiologen, das friedlich in der menschlichen Darmflora leben kann und daher Colibakterium heißt. Ganz korrekt ist von Escherichia coli (E. coli) die Rede .
Der genetische Code, die Genregulation, die Mechanismen der Proteinsynthese und die Rekombination von DNA im Reagenzglas - all dies war mit f. coli oder anderen prokaryontischen Lebensformen untersucht worden, deren Genesich mehr oder weniger frei im Zellsaft bewegen, ohne von einer Kernhülle umschlossen zu werden. Doch nach und nach kehrten die Genetiker zu den Organismen zurück, mit deren Erkundung ihre Wissenschaft begonnen hatte, das heißt vor allem zur Fliege und zur Hefe, und dabei entdeckte man, dass zwar viele Einsichten aus der Welt der Bakterien auch hier Geltung hatten, dass es aber trotzdem galt, höchste Vorsicht walten zu lassen, bevor man eine Verallgemeinerung riskierte.
Zuerst fiel auf, dass in eukaryontischen Zellen nicht Gen hinter Gen lag, sondern es eine Menge DNA gab, die einfach zwischen zwei kodierenden DNA-Sequenzen lag und sie auf Abstand hielt - » intergenic DNA«, die als spacer funktionierte. Es gab weiter DNA, die aus vielfach wiederholten (repetitiven) Sequenzen bestand und über deren Funktion man zunächst nur negative Aussagen machen konnte, zum Beispiel dass sie nicht als Gen dienen. Mit anderen Worten: Sobald man über den bakteriellen Zaun hinweg blickte, zeigte sich, dass DNA und Gene auf keinen Fall verschiedene Ausdrücke für dieselbe Sache sind. Das leuchtet allein deshalb von Grund aus ein, weil DNA als chemische Substanz ausschließlich etwas
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