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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Kanada trug diesen Titel bereits seit 1867; das 1901 gegründete Commonwealth of Australia war das zweite Dominion; 1907 folgte Neuseeland, 1910 die Südafrikanische Union. Alle Dominions waren von Weißen besiedelt oder beherrscht; nur sie erhielten das Privileg der faktisch unbegrenzten Selbständigkeit, mit dem das Mutterland einseitigen Unabhängigkeitserklärungen nach dem Vorbild der USA zuvorkommen wollte. Der Gedanke eines ständigen Imperial Council verfiel auch 1907 der Ablehnung, und was die gemeinsame Verteidigung anging, faßte die Konferenz, die fortan Imperial Conference heißen sollte, keine substantiellen Beschlüsse. Weitgehende Einigkeit bestand unter den Teilnehmern aus Übersee nur in Sachen Reichsvorzugszölle, die aber von den regierenden Liberalen nach wie vor abgelehnt wurden.
    Das Empire in eine Föderation umzuwandeln, wie es Joseph Chamberlain vorschwebte, erwies sich als unmöglich. England konnte die Mitglieder, die dem Mutterland in ihrer politischen Verfassung am ähnlichsten waren, nur weiter an die britische Krone binden, indem es ihnen den größtmöglichen Spielraum gewährte. Nur weil England dazu bereit war und das Empire zu jenem British Commonwealth of Nations zu wandeln begann, als das es sich seit der Reichskonferenz von 1926 bezeichnete, überlebte das britische Weltreich. Doch es waren nicht nur die weißen Kolonien, die nach politischer Unabhängigkeit strebten. In Indien, der mit Abstand größten und wichtigsten der abhängigen britischen Kolonien, aus der Großbritannien zwischen 1909 und 1913 26 Prozent aller seiner Importe aus dem Empire bezog, gründeten liberale Nationalisten 1885 den Indischen Nationalkongreß, der sich 1907 in «Gemäßigte» und «Extremisten» spaltete; 1906 riefen muslimische Inder die Muslim-Liga ins Leben. Der Kampf gegen die Fremdherrschaft veranlaßte die britische Regierung, die Befugnisse des 1861 geschaffenen Gesetzgebungsrates zu erweitern und den vom König ernannten Mitgliedern 1909 gewählte zur Seite zu stellen. Im gleichen Jahr wurde der erste Inder in die indische Zentralregierung berufen. Die Reformen kamen aber zu spät und wurden zu zögerlich eingeleitet, um die Bewegung in Richtung Unabhängigkeit zu schwächen. Die Grundsätze der Selbstregierung, von denen England sich im Innern leiten ließ, übten eine Anziehungskraft aus, die den britischen Anspruch auf die Beherrschung anderer Völker zu untergraben begann.
    Wenige Monate nach der Kolonialkonferenz, Ende August 1907, gelang Außenminister Grey ein Meisterstück: ein Abkommen mit dem alten Rivalen Rußland. Die beiden Mächte verständigten sich auf eine Abgrenzung ihrer Interessensphären in Persien, Afghanistan und Tibet. Am schwierigsten war der Ausgleich in dem von revolutionären Unruhen erschütterten persischen Kaiserreich. Rußland hatte sich durch Straßen- und Eisenbahnbau im Norden des Landes engagiert; England lag hauptsächlich daran, das Zarenreich vom Persischen Golf fernzuhalten. Die Lösung des Problems bestand in der wechselseitigen Anerkennung einer russischen Einflußzone im Norden und einer britischen im Süden, die durch einen neutralen Sicherheitsgürtel voneinander getrennt wurden. Für Rußland bedeutete der Vertrag eine große politische Erleichterung nach der Niederlage, die es sich 1905 im Krieg mit Japan geholt hatte. Großbritannien konnte seine Position in einer Weltgegend verstärken, in der Deutschland ihm durch den Bau der Bagdadbahn zusetzte. Wie die Entente cordiale mit Frankreich von 1904, so schuf auch das Abkommen mit Rußland drei Jahre später ein Gegengewicht zur forcierten deutschen Flottenrüstung. Zusammen genommen ergaben beide Verträge eine Tripelallianz, der das Deutsche Reich nichts Gleichwertiges entgegensetzen konnte.
    Der Regierungswechsel von 1905 trug zur Radikalisierung von Kräften auf der politischen Rechten bei, denen die konservative Parteiführung bei weitem nicht rechts genug war. Zu ihnen gehörte die Ende 1900 gegründete, offen antisemitische British Brothers League (BBL), die im April 1905, also unter der Regierung Balfour, einen großen Erfolg hatte verbuchen können: die Verabschiedung des Alien Act, eines Gesetzes, das sich gegen die weitere Einwanderung von Juden aus Osteuropa richtete (zwischen 1881 und 1905 hatten sich 40.000 Juden aus Rußland in England niedergelassen; insgesamt stieg die Zahl der in Großbritannien lebenden Juden zwischen 1880 und 1910 von 60.000 auf 240.000). Konservative

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