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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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britische Demokratie hatten die wichtigste innenpolitische Auseinandersetzung seit der Aufhebung der Kornzölle im Jahre 1846 gewonnen.
    Das Jahr 1911 ging nicht nur wegen des Parlamentsgesetzes in die britische Geschichte ein. Es war auch das Jahr großer Streiks und gewaltsamer Aktionen der 1903 von Emmeline Pankhurst gegründeten Women’s Social and Political Union zugunsten des Frauenwahlrechts, darunter Hungerstreiks und gezielter Sachbeschädigungen, die sich in den folgenden beiden Jahren unter der Verantwortung der von Paris aus agierenden Christabel Pankhurst, der Tochter von Emmeline, zu Brandstiftungen und Bombenanschlägen steigerten. Ebenfalls in das Jahr 1911 fiel ein für die Entwicklung des britischen Wohlfahrtsstaates wichtiges Gesetz: der von Lloyd George eingebrachte National Insurance Act, der in seinem ersten Teil eine an das deutsche Vorbild von 1883 angelehnte, auf genossenschaftlicher Grundlage beruhende, obligatorische Krankenversicherung schuf. Ergänzt wurde sie im zweiten Teil des Gesetzes durch eine auf einige Gewerbezweige beschränkte Arbeitslosenversicherung, womit Großbritannien auf diesem Gebiet eine Pionierrolle übernahm.
    Die schwersten innenpolitischen Auseinandersetzungen nach dem Ende des Verfassungskonflikts riefen, wie nicht anders zu erwarten, die neuen Bemühungen um eine Lösung der irischen Frage hervor. Vor der zweiten Unterhauswahl des Jahres 1910 hatten die Liberalen die Parole «Home Rule» in den Mittelpunkt ihrer Wahlagitation gestellt; bei der Wahl vom Dezember gewannen die irischen Nationalisten zwei Mandate hinzu, während die Liberalen und die Labour Party jeweils ebenso viele Sitze errangen wie im Januar. Das Signal an die Regierung Asquith war deutlich: Sie mußte ihren Worten Taten folgen lassen. Die Irish National Party stand ihrerseits unter dem Druck jüngerer und radikalerer Kräfte wie der Gaelic League, der Irish Republican Brotherhood und der 1905 entstandenen Sinn-Fein-Bewegung. Die größten Probleme aber warf Ulster auf, jene sechs Counties im Nordosten Irlands, wo sich seit dem frühen 17. Jahrhundert presbyterianische Siedler aus Schottland niedergelassen und das Gebiet anglisiert hatten. Ulster war wohlhabender als der katholische Hauptteil der Insel; Belfast, der Hauptsitz der Leinenindustrie und des Schiffbaus, hatte, was die wirtschaftliche Bedeutung betraf, Dublin inzwischen überflügelt.
    Die neue, nunmehr dritte Home Rule Bill vom April 1912 sah eine klare Arbeitsteilung zwischen dem Parlament in Westminster und einem künftigen irischen Parlament in Dublin vor: Außenpolitik und Verteidigung blieben Sache des Unterhauses in London, dem weiterhin, wenn auch in geringerer Zahl als bisher, irische Abgeordnete angehören sollten; alle regionalen Fragen waren Sache des irischen Parlaments und einer diesem verantwortlichen irischen Regierung. Entsprechende Rechte sollten Schottland, Wales und England in Anspruch nehmen können, so daß sich das Vereinigte Königreich in einen Bundesstaat verwandelt hätte. Hiergegen lehnten sich die Protestanten von Ulster auf, die nicht bereit waren, sich von irischen Katholiken majorisieren zu lassen. Dem Protestantenführer Sir Edward Carson, einem geborenen Dubliner, gelang es, die volle Unterstützung der konservativen Opposition zu gewinnen. Am 9. April, zwei Tage vor der Einbringung der Home Rule Bill, nahmen Carson, Andrew Bonar Law, der seit November 1911 an der Spitze der Tories im Unterhaus stand, und Lord Londonderry, der Führer der Konservativen im Oberhaus, eine Parade von 80.000 Freiwilligen, den sogenannten «Orangemen» ab – eine kaum verhüllte Drohung mit dem Bürgerkrieg für den Fall, daß die Regierung Asquith sich über den Willen der irischen Protestanten hinwegsetzen sollte.
    Asquith versäumte es, die «Orangemen» sofort zu verbieten. Er unterließ es auch, Ulster einen Sonderstatus zuzusichern. Infolgedessen spitzte sich der Konflikt weiter zu. Bis zum Herbst 1913 fand die Home Rule Bill zweimal die Zustimmung der Commons, während die Lords sie zweimal verwarfen. Geheimverhandlungen zwischen Asquith und Carson führten ebensowenig zu einem Ergebnis wie Gespräche zwischen der Regierung und der parlamentarischen Opposition. Ende November 1913 rief Bonar Law die Armee auf, sich im Ernstfall auf die Seite Ulsters zu stellen; daß die Armeeführung die Home Rule ablehnte, war auch dem Premierminister bekannt. Um dieselbe Zeit entstanden auch im katholischen Süden Irlands

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