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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Politiker, die während des Wahlkampfes im proletarischen Londoner East End Stimmung gegen die Juden machten, konnten die Verluste ihrer Partei gegenüber dem nationalen Durchschnitt vergleichsweise gering halten. Nach der Wahl griff die BBL gezielt liberale Politiker an, die Verbindungen zu (als deutschfreundlich geltenden) jüdischen Bankers in der City of London unterhielten. Ihre Mitgliederzahl bezifferte die BBL für das Jahr 1913 mit 126.000.
    Auf der äußersten Rechten betätigte sich nach seinem Rücktritt vom Amt des Generalgouverneurs von Südafrika im Jahre 1905 auch, im engen Zusammenspiel mit jüngeren konservativen Politikern, seinem vielzitierten «Kindergarten», Lord Milner. Nicht England, sondern das Empire stand im Zentrum seines Patriotismus. Radikaler Imperialismus ging bei Milner Hand in Hand mit heftiger Kritik am parlamentarischen System, das der nationalen Selbstbehauptung Großbritanniens abträglich sei. Die Verwendung antisemitischer Klischees war Teil seiner Kampagne gegen das sogenannte «System». Bestimmenden Einfluß auf die öffentliche Meinung konnten aber weder Milner noch die BBL erlangen. Die politische Kultur Englands war zu liberal, um radikale Bestrebungen von rechts oder links zum «mainstream» werden zu lassen.
    Am 6. April 1908 trat der erkrankte Premierminister Campbell-Bannerman zurück; am 22. April starb er. Zu seinem Nachfolger ernannte Edward VII. Schatzkanzler Herbert Asquith, dessen bisheriges Amt übernahm Handelsminister David Lloyd George, der in dieser Funktion von Winston Churchill abgelöst wurde. Unter der Regierung Asquith geriet Großbritannien in einen schweren Konflikt, dessen Anfänge noch in die Zeit des Kabinetts Campbell-Bannerman zurückreichten. Das Oberhaus hatte 1906 und 1907 mehrere Gesetze besonders liberalen Zuschnitts abgelehnt oder durch Zusätze («amendments») bis zur Unkenntlichkeit verändert, darunter ein Unterrichtsgesetz, das den Forderungen der Nonkonformisten entgegenkam, und ein Bodenreformgesetz. Im Jahre 1909 lehnten die Lords sogar das von Lloyd George vorgelegte, vom Unterhaus gebilligte Haushaltsgesetz ab, weil es die Einkommens- und die Erbschaftssteuer beträchtlich erhöhte. Die liberale Mehrheit des House of Commons reagierte damit, daß sie einer von Asquith eingebrachten Resolution zustimmte, die dem Oberhaus einen Verfassungsbruch vorwarf.
    Eine vorgezogene Neuwahl im Januar 1910 brachte den Konservativen zwar Mandatsgewinne, aber nicht die Mehrheit. Die Liberalen verloren rund 100 Sitze, konnten aber mit Hilfe von Labour Party und irischen Nationalisten weiter regieren. Der Machtkampf zwischen beiden Häusern des Parlaments war noch nicht entschieden, als am 6. Mai 1910 König Edward VII. starb. Sein Nachfolger, Georg V., bemühte sich redlich um eine Verständigung zwischen Ober- und Unterhaus, hatte damit aber keinen Erfolg. Die Arbeiten einer Verfassungskommission aus Liberalen und Konservativen wurden nach fünf Monaten und 21 Sitzungen am 10. November 1910 von den Tories beendet, weil die Liberalen nicht bereit waren, auf ein neues Home-Rule-Gesetz für Irland zu verzichten.
    Es folgte die zweite Unterhauswahl des Jahres 1910 im Dezember. Sie zeitigte ein sehr ähnliches Ergebnis wie die vom Januar. Die unnachgiebigsten Lords, die sogenannten «diehards», um Lord Landsdowne waren gleichwohl entschlossen, die Parliament Bill, ein von der Regierung Asquith eingebrachtes, die Rechte des Unterhauses sicherndes Verfassungsgesetz zu Fall zu bringen. Wären sie und die sie unterstützenden ultrarechten Presseorgane wie die «National Review» und die «Morning Post» damit erfolgreich gewesen, hätte Georg V. durch einen Pairsclub die Mehrheitsverhältnisse im Oberhaus zugunsten der Regierung geändert. Aber dazu kam es nicht, weil es Lord Curzon, dem bisherigen Vizekönig von Indien, gelang, eine Mehrheit für die Vorlage zustande zu bringen. Der Parliament Act vom August 1911 beendete den Verfassungskonflikt. Fortan traten alle Finanzgesetze, wenn sie vom Oberhaus nicht innerhalb eines Monats «amendiert» worden waren, mit der Zustimmung des Königs in Kraft. Über die Frage, was ein Finanzgesetz war, entschied der Speaker des Unterhauses, ohne daß den Lords eine Berufung an ein oberstes Gericht möglich war. Bei allen übrigen Gesetzen stand den Lords nur noch ein zeitlich eng befristetes suspensives Veto zu. Gleichzeitig wurde die Legislaturperiode von sieben auf fünf Jahre verkürzt. Die Commons und die

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