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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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paramilitärische Freiwilligenverbände, woraufhin Asquith ein Verbot der Waffeneinfuhr nach Irland verhängte. Ein Angebot der Regierung, jeder der nordöstlichen Counties auf deren Wunsch hin von der Home Rule für die Dauer von sechs Jahren auszunehmen, wurden von den Protestanten in Ulster und den Unionisten empört zurückgewiesen.
    Ende März 1914 kam es zu einem Zwischenfall, der als «Meuterei von Curragh» in die Geschichte einging: 57 aus Ulster stammende Offiziere einer im irischen Curragh stationierten Kavalleriebrigade mit ihrem Kommandeur an der Spitze sprachen sich für die von Kriegsminister John Seely unter erheblichem Druck zugestandene Option aus, gegebenenfalls Irland zeitweilig zu verlassen statt in Ulster einzurücken. Seely wurde daraufhin entlassen; Asquith übernahm selbst das Amt des Kriegsministers. In den folgenden Monaten kam es sowohl in Ulster wie im übrigen Irland zu weiteren schweren Zwischenfällen; bei einer Schießerei in Dublin wurden Ende Juli drei Menschen getötet und 38 verletzt. Die Regierung war schließlich bereit, Ulster ohne Befristung von der Home Rule auszunehmen. Eine endgültige Entscheidung fiel aber nicht mehr. Die internationale Lage, wie sie sich seit dem Attentat auf das österreichische Thronfolgerpaar in Sarajewo am 28. Juni 1914 entwickelt hatte, nötigte die britische Regierung zur Vertagung des irischen Problems.[ 29 ]
    Die radikale Republik: Frankreich zwischen Antisemitismus und Laizismus
    Verglichen mit England und Deutschland, war das Frankreich der Belle époque, der Jahre zwischen 1890 und 1914, noch immer ein agrarisch geprägtes Land. 1911 lebten in Frankreich 56 Prozent der Bevölkerung auf dem Lande; in Deutschland waren es um diese Zeit 35, in England 20 Prozent. Der Anteil der Franzosen, die von der Landwirtschaft lebten, war zwischen 1872 und 1913 von etwas über 50 auf 42 Prozent gesunken, lag aber immer noch höher als der in Industrie und Handwerk sowie im Bereich Handel und Dienstleistungen Beschäftigten, nämlich 31 und 27 Prozent. Zum Nationaleinkommen trug der primäre Sektor, die Landwirtschaft, 35 Prozent bei, der sekundäre Sektor, also Industrie und Handwerk, 36 und der tertiäre Sektor, das heißt Handel und Dienstleistungen, 29 Prozent. Innerhalb des sekundären Sektors war die Textilindustrie mit einem Anteil von 40 Prozent aller industriell Beschäftigten die führende Branche. Einen rasanten Aufschwung nahm die junge Automobilindustrie Frankreichs, die, anders als die alten Industriezweige, nicht durch hohe Schutzzölle von ausländischer Konkurrenz abgeschirmt wurde: Mit 45.000 Wagen pro Jahr kam sie 1914 auf den zweiten Platz weltweit, übertroffen nur von den USA. Eine Pionierrolle spielte Frankreich in der Filmindustrie: Der Film war 1895 fast gleichzeitig von zwei Deutschen, den Brüdern Skladanowsky, in Berlin und zwei Franzosen, den Brüdern Lumière, in Paris erfunden worden; um 1914 wurden neun von zehn aller Filme in Frankreich hergestellt.
    Der vergleichsweise geringe Industrialisierungsgrad Frankreichs hing eng mit dem Sparverhalten der französischen Mittelschichten zusammen. Soweit die Franzosen ihr Erspartes überhaupt gewinnbringend investierten, legten sie es vorzugsweise in als besonders sicher geltenden Papieren, nämlich französischen Staatsobligationen und Auslandsanleihen, an. 1914 entfielen von dem in französischen Händen befindlichen Aktienkapital 45 Milliarden Francs auf französische Staatsaktien, ebenfalls 45 Milliarden auf ausländische Staatsanleihen und Kapitalanlagen und nur 25 Millionen auf französische Industrieaktien. Was Auslandsanlagen anging, wurde Frankreich nur noch von Großbritannien übertroffen. Das britische Kapital wurde allerdings zum größten Teil außerhalb Europas, nämlich in den Vereinigten Staaten, in Südamerika und natürlich im britischen Empire angelegt, während das französische Kapital vorwiegend im europäischen Ausland investiert wurde. In keinem anderen Land legte Frankreich so viel Geld an wie in Rußland. Auf das Zarenreich entfielen 1914 11,3 Milliarden Francs oder 41 Prozent aller französischen Investitionen in Europa. Über ein Drittel der russischen Industrieinvestitionen und drei Viertel der russischen Staatsanleihen waren französischen Ursprungs.
    Die Weichen für das finanzielle Engagement Frankreichs in Rußland waren Ende der 1880er Jahre in Berlin gestellt worden: durch den deutsch-russischen Zoll- und Börsenkrieg, der noch unter Bismarck begonnen

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