Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
nicht in den Ersten Weltkrieg «hineingeschlittert», wie David Lloyd George, der britische Premierminister der Jahre 1916 bis 1922, rückblickend 1933 meinte und die meisten deutschen Historiker bis in die 1960er Jahre hinein behaupteten. Das Risiko des großen Krieges war allen beteiligten Staatsmännern und Militärs bewußt, auch denen in Berlin und Wien, die die Krise vom Juli 1914 so verschärften, daß der europäische Krieg am Ende unausweichlich wurde. Bethmann Hollweg hat im Sommer 1917, wenige Wochen nach seiner Entlassung als Reichskanzler, den Krieg einen «Präventivkrieg» genannt. Deutschland habe ihn begonnen, weil er «über uns hing» und nach Meinung der Militärs in zwei Jahren nicht mehr erfolgreich hätte geführt werden können. 1914 aber wurde Deutschland von keiner anderen Großmacht militärisch bedroht, so daß der Begriff «Präventivkrieg» in die Irre führt. Angriff als Putativnotwehr: Das war die Linie, die sich in der Julikrise von 1914 in Berlin durchsetzte.
Zu denen, die eine solche Entwicklung vorausgesagt hatten, gehörte Friedrich Engels. «Und endlich ist kein anderer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit», schrieb er im Dezember 1887, acht Jahre vor seinem Tod. «Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei ganz Europa so kahlfressen wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungernot, Seuchen, allgemeine, durch akute Not hervorgerufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unseres künstlichen Getriebs in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Bankrott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, daß die Kronen zu Dutzenden über das Straßenpflaster rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt; absolute Unmöglichkeit, vorherzusehen, wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird; nur ein Resultat absolut sicher: die allgemeine Erschöpfung und die Herstellung der Bedingungen des schließlichen Sieges der Arbeiterklasse.» Vom ersehnten Sieg des Proletariats abgesehen war Engels’ Prognose von geradezu bestürzender Klarsicht.
Im zeitlichen Abstand von 65 Jahren hat der amerikanische Historiker und Diplomat George F. Kennan 1979 den Ersten Weltkrieg « die Urkatastrophe dieses Jahrhunderts» ( the great seminal catastrophe of this century) genannt. Nationen, die diesem Krieg ihre staatliche Unabhängigkeit verdankten – die baltischen Völker, die Polen und die Tschechen etwa – dürften diesem Urteil nicht oder zumindest nicht vorbehaltlos zustimmen. Doch Kennans These hat auch dann alles für sich, wenn man die befreienden Wirkungen des Ersten Weltkriegs in Rechnung stellt. Der Weg von 1914 nach 1939 war kurz, und nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der alte Westen nur dadurch überleben, daß er sich mit dem neuen Westen jenseits des Atlantiks verband. Was ihn im Innersten zusammenhält, entdeckte der Westen erst, nachdem ihn die Austragung seiner Gegensätze an den Rand der Selbstzerstörung gebracht hatte.[ 35 ]
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
ADAV
Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein
ADV
Alldeutscher Verband
AFL
American Federation of Labor
BBL
British Brothers League
C.G.T.
Confédération Générale du Travail
CNT
Confederación Nacional del Trabajo
IAA
Internationale Arbeiter-Assoziation
ILP
Independent Labour Party
k.k.
kaiserlich-königlich
IWW
Industrial Workers of the World
MEW
Karl Marx/Friedrich Engels, Werke. Hg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin 1956ff.
NAACP
National Association for the Advancement of Colored People
NATO
North Atlantic Treaty Organisation
ND
Neudruck
PSOE
Partido Socialista Obrero Español
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
S.F.I.O.
Section Française de l’Internationale Ouvrière
St.
Sankt
UGT
Unión General de Trabajadores
USA
United States of America
Personenregister
Abaelard, Petrus (1079–1142) 77f., 109
Abbt, Thomas (1738–1766) 239f., 399
Abd el-Kader (1808–1883) 560, 565
Abdulhamid II., Sultan (1842–1918) 854, 1011, 1137, 1194
Abdulmecid I., Sultan (1823–1861) 542, 544, 590, 698
Abeken, Christian Wilhelm Ludwig von (1826–1890) 806
Aberdeen, George
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