Gesetz der Lust
PROLOG
D er feuerrote Truck raste die Einfahrt entlang. Staub wirbelte auf, und die Kühe hinter dem Zaun sprangen erschrocken beiseite.
Marc Savin kniff die Augen zusammen. Am liebsten wäre er ins Haus gegangen und hätte die Tür hinter sich abgeschlossen. Er wusste ganz genau, wer sein Besucher war. Doch er hatte keine Lust auf Gesellschaft, selbst wenn es ein Mann war, den er respektierte.
Alexander “Lynx” Stone, sein Partner und Freund. Marc hatte ihn zwei Jahre lang nicht gesehen. Er war ein guter Mann, wenn man Unterstützung brauchte. Doch Marc brauchte Lynx jetzt nicht. Phantom hatte sich zurückgezogen. Für immer. Nichts, was Lynx sagen würde, konnte dies ändern.
Ein Mann war ausgelaugt, wenn die Frau, die er geliebt hatte, durch seine Schuld umgebracht worden war.
Marc blickte auf die Staubwolke, die sich langsam legte, dann nahm er einen Schluck Bier. Mit der anderen Hand rieb er über die Narbe auf seiner Schulter. Die Narbe und auch die Erinnerungen waren zwei Jahre alt. Die Narbe schmerzte nicht.
Der Wagen hielt an, und Alex kletterte vom Fahrersitz. Marc sah zu, wie sein Freund mit langen Schritten auf die Veranda kam.
“Hey”, begrüßte er ihn.
“Hey”, antwortete Marc. “Sag bloß nicht, dass du zufällig in der Nähe warst …”
“… und da dachte ich, ich komme mal vorbei”, beendete Alex den Satz und grinste. Doch Marc sah den besorgten Blick in seinen Augen. Er fragte sich, wie viel sein Freund wohl vermutete, nachdem er sich das selbsterwählte Exil auferlegt hatte. Aber was machte das schon.
“Hübsch hast du es hier.” Alex betrachtete das Ranchhaus, die Scheune und die eingezäunten Weiden. Pferde grasten ein Stück weiter, auf einer anderen Weide schlug ein Preisbulle mit dem Schwanz nach den Fliegen.
“Mir gefällt es. Aber würdest du mir bitte sagen, was zum Teufel du hier zu suchen hast?”, wollte Marc wissen.
“Es geht um Spider …”
“Nein.”
“Verdammt, Marc, wirst du mir wenigstens zuhören …”
“Nichts, was du zu sagen hast, interessiert mich …”
“Die ganze verdammte Sache geht in Flammen auf.” Jetzt war es Lynx, der sprach – nicht länger sein Freund Alex. “Es hat drei Verräter gegeben, Marc.”
Diese Bemerkung weckte Marcs Interesse, trotz seiner Entschlossenheit, sich nicht beeinflussen zu lassen.
“Wer?”
“Curtis, Michaels … und Krista.”
Marc war die Treppe hinunter, noch ehe er selbst wusste, was er tat. Wütend ging er auf den Freund los.
“Du bist ein stinkender Lügner!”
“Es ist wahr, Marc.” Alex wich nicht zurück, er sah ihn nur voller Mitleid an. “Sie war von Anfang an Doppelagentin …”
Marc ließ ihm keine Möglichkeit, den Satz zu beenden, mit einem harten Schlag landete seine Faust auf Alex’ Kinn. Alex stolperte zurück, fiel gegen den Wagen und rieb dann sein Kinn. “Ich weiß, es fällt dir schwer, das zu glauben.”
“Nein!” Die Qual in Marcs Stimme war nicht zu überhören. “Nein, du verdammter Schuft. Nein!” Er packte Alex beim Hemd und zog ihn vom Wagen weg.
Alex wich den Schlägen aus, er weigerte sich zurückzuschlagen. Doch schließlich konnte er nicht mehr anders, er versetzte Marc einen Schlag in den Magen. Beide Männer waren erfahrene Kämpfer, beide hatten Ahnung von Angriff und Verteidigung. Es vergingen beinahe zehn Minuten, ehe sie voneinander abließen.
“Du bist wirklich blöd, Mann”, flüsterte Alex. “Sie hat sich gegen ihr Land gewandt und auch gegen dich. Sie war verdorben, Marc.”
“Halt verdammt noch mal den Mund und verschwinde von meinem Land. Und komm nicht wieder zurück.”
“Komm mit mir nach Marezzo”, gab Alex zurück. “Wir brauchen dich.”
Was Alex ihm von Krista erzählt hatte, hatte Marc überwältigt. All die Wut und der Schmerz, all der Kummer waren mit einem Schlag wieder da, als seien erst wenige Tage vergangen und nicht Jahre.
Zwei Jahre.
“Sie sind tot, Marc. Alle.”
“Halt den Mund …”
“Die königliche Familie. Der König und die Königin von Marezzo und ihr Sohn und ihre Tochter. Man hat sie exekutiert.”
Marc öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch kein Wort kam heraus.
“Spider besitzt jetzt die Insel, Marc. Sie haben sie übernommen, und der Himmel allein weiß, was sie als Nächstes planen. Also, spiel du hier nur den Cowboy, aber ich werde morgen abreisen und versuchen, sie aufzuhalten.” Alex wandte sich um und ging zu seinem Wagen, ohne Marc noch eines Blickes zu würdigen.
Marc
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