Gesetze der Lust
klemmte es sich unter den Arm. Bevor er das Kirchenschiff betrat, ging er ins Kirchenbüro und verschickte ein Fax.
Als er danach die Kirche betrat, sah er, dass Nora noch nicht da war. Er setzte sich in die zehnte Reihe, zwei Reihen hinter Noras üblichem Platz. Ihr kleiner Schatten, der sieben Jahre alte Owen Perry, wartete immer darauf, dass Miss Ellie auftauchte. Owen bewunderte Nora – Miss Ellie – und machte auch keine Anstalten, das zu verbergen. Er saß während des Gottesdienstes neben ihr, und manchmal rollte er sich sogar auf ihrem Schoß zusammen. Einmal war Michael an ihnen vorbeigegangen und hatte gesehen, dass Nora den halb schlafenden Jungen in ihrem Schoß abwesend über die Stirn streichelte. Beide hatten pechschwarzes Haar. Jeder, der sie zum ersten Mal zusammen sähe, würde denken, dass Nora die Mutter des Jungen war.
Es störte ihn, Owen und Nora so nah beieinander zu sehen. Er beneidete den Kleinen darum, dass er Nora so völlig furchtlos seine Zuneigung zeigen konnte. Michael würde ihre Füße küssen, wenn sie ihn nur etwas näher an sich heranlassen würde. Aber auch Nora war beneidenswert. Sie hatte wenigstens jemanden, der keine Angst hatte, sie in der Öffentlichkeit zu berühren. Michael konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letzte Mal seit der Nacht mit Nora jemand berührt hatte. Selbst seine Mutter hatte nach dem Auszug des Vaters aufgehört, ihn in den Arm zu nehmen.
Nora hatte nicht nur Menschen, die sie öffentlich berührten. Sie hatte auch Father S., der sie im Privaten … berührte.
Insgeheim machte er sich Sorgen, dass jemand das mit Father S. und Nora herausfinden könnte. Alle wussten, dass Nora erotische Romane schrieb, und die Kirchengemeinde war unter der Hand ein wenig stolz, eine Prominente in ihrer Mitte zu haben. Und Father S. wurde sowieso von allen verehrt. Aber Noraund Father S. hatten sich ineinander verliebt, als sie erst fünfzehn gewesen war. Wenn das herauskäme … Michael wollte gar nicht dran denken, wie böse das ausgehen würde.
Mit einem Blick auf die Uhr sah Michael, dass er noch genügend Zeit hatte, um draußen einen Schluck Wasser zu trinken. Er stand schnell auf und ging zur Tür. Gerade als er das Kirchenschiff verließ, rauschte Nora in einem engen weißen Rock und einer maßgeschneiderten schwarzen Bluse durch die Eingangstür. Ihr langes Haar hatte sie in einem losen Knoten hochgesteckt, und um ihre knallroten, vollen Lippen spielte ein kleines Lächeln. Er konnte sich ungefähr vorstellen, was Father S. mit ihr an diesem Morgen angestellt hatte, um ihr dieses Lächeln ins Gesicht zu zaubern – er konnte es sich vorstellen, und er tat es auch oft.
Nora kam auf ihn zu, und Michael erstarrte. Sie sprachen nie miteinander – nicht mit Worten zumindest, nicht seit dieser einen gemeinsamen Nacht. Aber wie immer winkte er ihr kurz zu. Anstatt jedoch zurückzuwinken, streckte Nora ihre Hand aus und umfasste die seine sanft. Sie drückte seine Finger kurz, ließ sie sofort wieder los und ging davon, als wäre nichts gewesen.
Michael schaute verdutzt auf seine Hand. Nora hatte ihn eben tatsächlich berührt.
Als er wieder hochguckte, sah er, dass einer der verheirateten Männer der Gemeinde, der gerne mit Nora flirtete, ihn anstarrte. In seinem Blick lag etwas, das Michael als Neid erkannte. Michael straffte seine Schultern ein klein wenig und ging zu seiner Sitzreihe zurück. Er verharrte einen Moment, änderte dann seine Meinung und machte zwei Schritte vor, um sich direkt neben Nora zu setzen. Sie schaute ihn nicht an, sondern unterhielt sich mit Owen über ein Bild, das er für sie gemalt hatte. Doch sie streckte erneut ihre Hand aus und kniff Michael so fest in den Oberschenkel, dass er wusste, er würde dort morgen einen blauen Fleck haben.
Michael lächelte. Oh ja, er liebte Sonntage.Als Suzanne erwachte, hatte Patrick seinen Arm um sie geschlungen und knabberte sanft an ihrem Hals.
„Patrick, ich schlafe.“ Sie schob ihn von sich. „Ich leide immer noch unter Jetlag.“
Lachend küsste Patrick sie auf die Schultern. Suzanne drehte sich zur Seite.
„Sex ist ein homöopathisches Heilmittel gegen Jetlag. Das habe ich mal irgendwo gelesen.“
Suzanne schloss die Augen, zog die Decke bis ans Kinn und versuchte sich daran zu erinnern, wann genau sie gestern Abend gedacht hatte, es wäre eine gute Idee, mit ihrem Exfreund zu schlafen – vermutlich irgendwann zwischen dem vierten und sechsten Cuba Libre.
„Der Sex von gestern
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