Gespensterjäger in der Gruselburg
zusammenzusetzen. Deshalb traut sich Ihr Burggespenst wahrscheinlich nicht hier runter.«
»Wie sehen diese, diese WIBEIGEIs denn aus?« fragte Herr Wurm. Unbehaglich sah er sich um.
»Och, etwa so groß wie ’ne Apfelsine«, sagte Tom. »Und auch ungefähr die Form, aber die kleinen Biester sind grün wie Flaschenglas und haben lange spitze Zähne.«
»Aha«, murmelte Herr Wurm. Von da an guckte er sich in einem fort hektisch um, aber nur zweimal huschte ihnen ein kleines Rudel WIBEIGEIs über den Weg.
»Vielleicht sollten wir ein paar mitnehmen«, schlug Tom vor. »Um die Baronin ein bißchen zu ärgern.«
»Keine schlechte Idee«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Erledige du das, wir gehen schon mal zum Sicherungskasten.« »Hier entlang«, sagte Herr Wurm, und schon waren er und Frau Kümmelsaft hinter dem nächsten Pfeiler verschwunden. Tom blieb allein in der Dunkelheit zurück.
»Na, dann«, murmelte er und zog aus seinem Rucksack eine Tüte mit klebrigen, kleinen Papierstreifen, die scheußlich nach Mäusedreck rochen, dem Lieblingsduft der WIBEIGEIs.
»Kommt, kommt, ihr kleinen Dinger«, flüsterte Tom, während er die Papierstreifen auf dem Boden auslegte. »Kommt, wir haben nicht viel Zeit.«
Er zog ein Netz aus der Hosentasche und versteckte sich damit hinter einem Stapel großer Steine. Lange brauchte er nicht zu warten. Erst tauchte nur eine Ratte auf, die interessiert an seinen Schuhen schnüffelte, aber dann war plötzlich das leise Knurren zu hören, das so typisch für die WIBEIGEIs ist.
Flackernd schwebten sie näher, acht waren es. Ihre kleinen Augen leuchteten in der Dunkelheit. Knurrend näherten sie sich den Papierchen, schubsten sich gegenseitig weg und schnappten mit spitzen Zähnen nacheinander – bis plötzlich drei von ihnen festklebten. Kreischend versuchten sie sich zu befreien, während ihre Artgenossen mit aufgeregtem Geheul das Weite suchten.
Tom sprang blitzschnell heran, warf das geistersichere Netz über die drei und stopfte sie in seinen Rucksack. Wütend bohrten sie ihre Zähnchen in seine Hand, aber alles, was er spürte, war ein feines Kitzeln. Für Menschenhaut waren die Geisterzähnchen der WIBEIGEIs vollkommen harmlos.
»Hast du welche?« fragte Hedwig Kümmelsaft.
Herr Wurm leuchtete Tom mit der Laterne ins Gesicht.
»Klar«, antwortete Tom und grinste. »Habt ihr die Sicherungen gefunden?«
Hedwig Kümmelsaft nickte. »Jetzt ist unser Gespenst auf Diät.«
»Hugo«, raunte Tom ins Funkgerät. »Alles in Ordnung bei euch?«
»Ollös ün Ordnung«, säuselte Hugo.
»Gut«, sagte Tom. »Dann gehen wir jetzt am besten in die Bibliothek.«
Als Herr Wurm die Tür der Burgbibliothek öffnete, wehte ihnen ein eiskalter Wind entgegen. Die großen Fenster standen weit offen, und Tom hörte, wie draußen der Regen in den Burggraben prasselte.
Hastig schlossen sie die Fenster und sahen sich um. Kaum noch ein Buch stand in den hohen Holzregalen. Wild durcheinander lagen sie auf dem Teppich: in meterhohen Stapeln, aufgeschlagen, zerrissen, die alten Seiten verknickt, die Lederrücken schlammbeschmiert.
»O nein!« rief Herr Wurm. »All die wunder-, wunderbaren Bücher!«
Entsetzt hielt er die Laterne hoch.
»Tja, da war jemand vor uns hier«, seufzte Frau Kümmelsaft.
»Unsere liebe Baronin hat ganze Arbeit geleistet.«
Tom sah nach draußen. In den großen Bäumen hing schon die Dämmerung.
»Es wird bald dunkel«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Aber wir müssen es riskieren. Suchen wir nach Büchern, die die Burggeschichte behandeln. Das siebzehnte Jahrhundert interessiert uns besonders.«
»Am besten fangen wir mit den untersten an«, schlug Tom
vor. »Wenn sie bestimmte Bücher verstecken wollte, liegen die sicher da.«
»Ich hoffe nur, sie liegen nicht da draußen«, sagte Frau Kümmelsaft und warf einen besorgten Blick aus dem Fenster, wo tief unten der Wassergraben schmatzend gegen die Mauern schwappte.
Im schwachen Licht von Herrn Wurms Laterne und Toms Taschenlampe zogen die drei Buch für Buch aus den wüsten Stapeln hervor. Tom hatte die Türpfosten sorgfältig bepinselt und ganze Berge von Salz ausgestreut. Draußen wurde es immer dunkler, und die Macht der Blutigen Baronin wuchs und wuchs. Mit fliegenden Fingern blätterten Tom, Hedwig Kümmelsaft und Herr Wurm sich durch Tausende von knisternden alten Buchseiten. Sie lasen, tranken Frau Wurms starken Kaffee und lasen weiter: von Freßgelagen und Hungersnöten, Bauernaufständen, Galgenbergen und
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